0.3-9. Szene Kanzleizimmer
im Obersthofmeisteramt
(Anm. Obersthofmeister
Montenuovo im Obersthofmeisteramt versucht Kaiser Franz Joseph sofort nach dem
Attentat in Sarajevo davon zu überzeugen, dass es das Beste wäre, man würde die
Herzogin Sophie nicht in Wien aufbahren, sondern
gleich nach Artstetten, den Wohnsitz des Thronfolgers in Niederösterreich,
bringen. Der Kaiser lehnt jedoch ab. Mit
dem Schlachtschiff »Viribus Unitis« werden die Särge von Sarajevo nach Triest und von
dort mit der Bahn nach Wien gebracht. Montenuovo organisiert die
Überstellung absichtlich so, dass die Särge mitten in der Nacht am Südbahnhof
eintreffen. Nur Erzherzog Karl Franz Joseph, der neue Thronfolger, und seine
Frau Zita sind am Bahnhof. Am 3. Juli erfolgt die Aufbahrung in der Hofburgkapelle, wo Herzogin Sophies Sarg um eine Stufe
tiefer aufgestellt wird als der ihres Mannes. Nur vier Stunden lang darf
die Bevölkerung in die Hofburgkapelle, dann wird sie geschlossen. Montenuovo
verhindert auch, dass ausländische
Würdenträger nach Wien reisen. Es genüge, Botschafter zu senden, läßt er die
Staatskanzleien wissen. Die Überführung
der Särge nach Artstetten findet wieder bei Nacht statt. Die Särge werden zunächst
mit der Bahn nach Pöchlarn transportiert, wo sie um ein Uhr nachts eintreffen
und im Morgengrauen, während eines heftigen Gewitters, mit einer Fähre
über die Donau geführt werden. Die
Beisetzung am 4. Juli in der Familiengruft findet in aller Stille und ohne
jeglichen Prunk statt.)
Direktor
des Hofzeremoniell-Departments Hofrat Friedrich Wilhelm Ritter
von Nepalleck, Diener, alter Kammerdiener
des ermordeten Erzherzogs Franz Ferdinand, Durchlaucht Obersthofmeister Alfred
Fürst von Montenuovo, Vertrauter des Thronfolgers Baron Bronn von Weikersheim / Telephonfräulein
(0.3) Nepalleck
Nepalleck, ein Hofrat,
am Schreibtisch. Er telephoniert (mit dem Direktor der Kabinettskanzlei Franz
Schiessl), sich dabei
fortwährend vor dem Apparat verbeugend, fast in ihn hineinkriechend.
Nepalleck:
Begräbnis dritter Klasse (ja, dritter Klasse, natürlich) – Versteht sich
Exlenz – Exlenz können unbesorgt sein – Durchlaucht (Fürst
Montenuovo) hat sofort (unverzüglich) die Initiative ergriffen – wie?
Pardon Exlenz, wie? Man versteht heut wieder so schlecht –
– Kruzitürken,
Fräulein, Hofgespräch, (Kabinettskanzlei) das is ein S(ch)kandal! –
Pardon Exlenz, es war
unterbrochen – ja-ja-ja – zu dienen – wird besorgt –
aber natürlich – abgewunken – allen – selbstverständlich
– (wie gesagt) Durchlaucht hat sofort (nach dem Unglück) die Initiative
ergriffen – natürlich – Durchlaucht (Fürst Montenuovo) wird
hocherfreut (zufrieden) sein – Alles im Sinne von Seiner Durchlaucht
– Exlenz können sich (vollkommen auf uns) verlassen – nein, nein,
keiner von die (ausländischen) Monarchen (um Gottes Willen!) – auch keine
Mitglieder (von Herrscherhäusern, gar nix) – nein, auch keine Verwandten
– natürlich (nicht) –
Wie? – Nein,
alle wollten (natürlich) – (aber) keiner kommt – A Großfürst war (sogar)
schon reisefertig, aber wir haben es zum Glück noch rechtzeitig verhindern
können – ginget uns (noch) ab, die möchten uns da mit Aufklärungen (kommen)
– daß' am End nur ja zu kan Krieg kommt –
Wie? – Schon
wieder unterbrochen, Kruzitürken, is das ein Pallawatsch! –
Ja – auch von
England – (natürlich,) nein, niemand – keine Katz von an Hof
– nur die Botschafter und so Leut – selbstverständlich auch das mit
Auswahl, wo man schon nicht nein sagen kann – wer mr scho machen –
tüchtig gesiebt, tüchtig – nach Tunlichkeit – Raumrücksichten – (lacht) (ja,) mein Gott, die kleine (Hofburg)Kapell’n
(das geht gar nicht anders), ham mr an Gspaß ghabt –
Der Wortlaut? Gleich
bitte.
(Zieht einen Zettel aus der Tasche.)
»Beschränkungen der
Delegierungen auswärtiger Fürstenvertreter und militärischer Delegierter, die
mit Rücksicht auf den verfügbaren Raum – « (und mit Rücksicht auf
den greisen Monarchen selbstverständlich –)
Wie? – Natürlich,
selbstverständlich, das wird die bitterste Enttäuschung sein, (das Militär,) keine
offizielle und keine allgemeine Beteiligung des Militärs –
Wie, Exlenz? – In
Belgrad? No ja, die werns kurios finden – sehr richtig, solln s' draufhin
nur noch mehr frech wern gegen uns (die Serben) – wir haben gar nichts
dagegen, nicht wahr, Exlenz? (lacht) –
So ist es! – Sehr gut, Exlenz, famos, (lacht) »Begräbnis dritter Klasse, Nichtraucher« – famos, muß ich Durchlaucht erzählen, Durchlaucht
wird sich kugeln – wir haben eh die größten Scherereien mit der Einsegnung – ja der böhmische Adel, bißl
zudringlich von die Herrn – die Spezi und die (ganze) Verwandtschaft
– was wir geantwortet haben? Durchlaucht hat sofort die Initiative
ergriffen. Ganz einfach. Außer dem Allerhöchsten Hof und den Offiziellen hat
höchstens noch der Vormund (der Kinder) Zutritt (der Graf Thun) –
Wie? – Die
Kinder? nein, (nein, nein,) Durchlaucht is (strikt) dagegen, (no,) wegen der
Plaazerei –
Wie? – Ja, die
Herrschaften wollen (unbedingt) zu Fuß mitspazieren – natürlich sehr
unangenehm für Durchlaucht, fast eine Demonstration (könnte man sagen) – (lacht) Sehr gut, die (der Aufmarsch
der) Arbeitslosen! Muß ich Durchlaucht erzählen, Durchlaucht wird sich kugeln
–
Wie meinen, Exlenz? –
Wurscht? Und wie! (völlig) Savaladi! – Aber natürlich, kein Mensch kann
was sagen – allen Formalitäten genügt (Genüge geleistet,
selbstverständlich) – allerhöchstes Ruhebedürfnis ganz einfach (um seiner kaiserlichen Hoheit eine
längere und ermüdende Zeremonie zu ersparen) – justament, solln s' sich giften – selbstverständlich –
Thronfolgerbegräbnis ist eben dritter Klasse, da gibts keine Würschtel –
zu (irgendwelche) Fleißaufgaben haben wir gar keine Ursache – ja apropos,
Exlenz haben von der unverschämten Zumutung seiner Kanzlei noch nicht gehört?
– Nach dem spanischen Zeremoniell solln mr ihnen auch noch das Begräbnis (draußen)
in Artstetten (in der Familiengruft herrichten), nicht bloß die Zufuhr zur
Westbahn – nicht wahr, unerhört – In unsere Kompetenz gehört (doch)
nur die Kapuzinergruft, punktum! –
Aber natürlich,
Durchlaucht hat sofort die Initiative ergriffen und denen (ganz deutlich)
geantwortet, sie solln froh sein, daß wir (ihnen) die Leich (überhaupt) bis zur
Westbahn bringen. Das weitere (die letzten hundert Kilometer) geht (vielleicht)
die städtische Leichenbestattungsanstalt (was) an – oder den Verein zum
ewigen Leben, sehr richtig – natürlich, jedenfalls aus Schmutzerei
– in seinem Sinne – Pietät, (lacht) sehr gut! Muß ich Durchlaucht erzählen, Durchlaucht wird sich – nein, nur
zwanglos, kleines Festessen in gemütlichem Kreis –
Ob mr wen anstellen
wern (von seine Leut’)? Nicht einen, wird alles hinausgschmissen (des wird
keiner überleben, Ex’lenz können unbesorgt sein) – Oja, Viechsarbeit (natürlich)
–
Natürlich, wenn's auf
mich ankommt, ich persönlich war vom ersten Moment dagegen, daß die Leich von
der Chotek (Gattin) im selben Zug (wie der Thronfolger) mitkommt (Ja. –
Ihr Selbstbewusstsein war ein bissl sehr stark entwickelt, muss ich schon
sagen, aber ohne ersichtlichen Grund) – ich sag in solchen Fällen, wärst
net aufigstiegn, wärst net abigfalln – aber das war leider (nicht zu
vermeiden. Seine kaiserliche Hoheit ham da nicht mitg’spielt) – Aber ja, (auch)
das gute Herz von Seiner Durchlaucht – und dann, Exlenz wissen ja, Seine
kaiserliche Hoheit hat interveniert, kann man halt nix machen – na,
wenigstens hätt mr die Gschicht so weit in Ordnung bracht, daß ihr Sarg (bei
der Aufbahrung) um eine Stufen tiefer aufgstellt wird wie der seinige (Und aufs
Kissen kommt nur ein schwarzer Fächer und ein Paar weiße Handschuh, wie für
eine Hofdame halt, keine Orden und Ehrenzeichen, nein, nein, nein.) –
Gewiß, wird nicht
angenehm sein morgen (bei der Ankunft der beiden Särge) auf der Südbahn –
aber wenigstens (wird’s) kein Gedränge (geben, Platz wird sein, reichlich) (lacht) – (nein, nein, kommen
mitten in der Nacht an, keine Sorge, um zehne oder
elf, dafür hat seine Durchlaucht schon gesorgt – keiner wird da sein,
niemand, nur der Erzherzog Karl mit der Zita – )
Wie? – (lacht) Sehr gut, nicht wie am (Wochenende)
Sonntag nach Atzgersdorf (wenn die Ausflügler alle ins Grüne fahren), sehr gut,
muß ich Durchlaucht, Durchlaucht wird sich –
Wie?
– Pardon, ach so, die Zeitungen? (Ja, sind) Instruiert, alles instruiert,
wern nicht viel hermachen (Keine Sorge). Schlagwort: Kein Prunk, sondern stille Trauer – oder was beißt
mich da –
Wie Exlenz? – So
still, daß man – (lacht) famos,
muß ich Durchlaucht, Durchlaucht wird sich –
Wie? – Ja,
hocherfreut, daß die Kabinettskanzlei ebenso tief erschüttert ist wie das
Obersthofmeisteramt – (lacht) Durchlaucht
wird sich kugeln –
(Ein)
Paar Vergnügungsetablissements haben bei uns angefragt, ob s'ihnere
Vorstellungen abhalten sollen. Antwort: daß irgendeine Hoftrauer noch nicht angeordnet und daß es dem Ermessen jeder
einzelnen Direktion anheimgestellt bleibt – gut, was? – no und was
die ermessen, kann man sich ja denken, na ja der Wolf aus Gersthof (das
Volkssängerlokal) braucht a net mehr z'wanen wie mir selber. Aber Venedig in
Wien (im Prater unten), das wird Exlenz intressiern, die warn so vernünftig und
habn gar net gfragt und habn ruhig am selben Tag (aufg’macht und) gspült. (Ham
gspült, ja, selbstversrtändlich.) Mein Gott, das bißl Gaudee und das bißl Gschäft soll man den Leuteln bei
die schlechten Zeiten vergunnen (nicht?) (singt: xxx) – leben und leben
lassen, natürlich – Gewiß, gewiß, nicht wir allein, das ganze Reich
– das ganze Reich – sehr gut, alle die gleichen Gefühle, sehr
richtig, man will eben nicht ersticken
Wie? –
Kruzitürken, was is denn schon wieder (Fräulein!) –
Es war eine Störung
(Ex’lenz, Pardon)! – Sehr richtig, man will gemütlich sein – so ist
es, einmal geht auch der Schinder drauf – leben und leben lassen –
die Leut wolln ein joviales Gsicht sehn, sonst wern s' selber grantig –
jawohl, wer nicht grüßen kann, ghört nicht an die Spitze! – no in der
Beziehung können wir ja für die Zukunft Gottseidank unbesorgt sein –
Wie? – Was die andere Durchlaucht macht, die
neuche? Oder vielmehr, der gewesene künftige Obersthof-meister (Fürst
Weikersheim)? Der verblichene Günstling (des Thronfolgers), selig in dem Herrn
entschlafen, Gott hab ihn selig, hol ihn der Teufel, noja, ein ganz spezieller
Trauerfall, der einzige, der tiefgebeugt, jedenfalls – nein, wird uns
wohl (hoffentlich) nicht mehr mit seinem Besuche beehren –
Wie?
– Die was in Serajevo mit waren? Der (Graf) Harrach? Vielleicht auch. Hat
ihn ja doch (im Auto) »mit seinem Leibe gedeckt« (hat ihm ja sogar sein
privates Auto für die Fahrt durch Sarajewo zur Verfügung gestellt, hör ich)
– ja, die habn sich (kolossal) wichtig gmacht (da) unten – Der (Franz
von) Morsey (der Kämmerer vom Thronfolger, der was mit war) fahrt einen
Polizeibeamten an, warum er einen von die Attentäter nicht verhaftet, no der
hat ihm aber tüchtig geantwortet, (das kann ich Ihnen sagen,) Herr Leutnant, »kümmern Sie sich (gefälligst)
um Ihre Angelegenheiten!« – Die
Polizei in Serajevo hat einfach ihre Pflicht erfüllt, nicht mehr und nicht
weniger – Die Gendarmerie? – wie viel da waren? Durchlaucht hat
damals die Initiative ergriffen beim (ungarischen Minister-präsidenten) Tisza, der hat aber selbst schon
alles vorgekehrt ghabt. Sechs (ja, sechs hoch qualifizierte Budapester Detektive) zu seinem persönlichen Schutz, das war
doch mehr wie genug! (ich bitt Sie!) – Sehr gut, ein ver-nünftiger Ausgleich, zweihundert hat man ihm (dem
Erzherzog) für (Schloß) Konopischt (seiner Residenz) bewilligt, damit das p. t. Publikum nicht in die
Anlagen trete – (lacht) ja, das
hat ihm gschmeckt, da hat man geuraßt –
Wie? im Auswärtigen
sans schon fuchtig? Natürlich, die beste Handhabe, selbstverständlich –
Endlich, endlich! – bin neugierig, ob s' lang untersuchen wern im
Schlangennest (drunten) – wieder ein vernünftiger Ausgleich, sechs
Gendarmen für Serajevo, brauchn mr halt desto mehr für Belgrad! – Bagasch
übereinand –
Aber natürlich, mir
san ja eh die reinen Lamperln – ja, das is wahr mit die Ahnungen, was er
ghabt hat, aber da ham'r ihm schon Mut gemacht, ein Offizier fürcht sich nicht!
– Sehr richtig, er war in Gottes Hand,
sein Lebtag, bis zum Schluß – nicht zu verhindern gewesen, versteh,
versteh, aber strafen, wanns einmal gschehn is! – gewiß, nachher nimmt
man sich eben zsamm, ja, ja, wird auch in dem Punkt sein Gutes haben, nach
innen und außen – abrechnen – ja, (der Generalstab,) der Conrad
(von Hötzendorf), na der wird jetzt (dreinfahren) –
Aber natürlich, das
fressen s’! Da muß doch eine Genugtuung sein, das sieht doch jedes Kind, wär
net schlecht – ein Prestischpunkt (gegen die Serben), der sich gewaschen
hat – wer' mr scho machen – aber ja –
Wie? – Aber
natürlich, (im Notfall) da reißen uns schon die Deutschen heraus – so is,
wir sind für den Frieden, wenn auch nicht für den Frieden um jeden Preis
– nein, Exlenz, von Urlaub leider keine Rede, woher denn – is schon
einmal so, noja, mir bleibt doch nichts erspart –
Nochmals,
selbstverständlich, bitte unbesorgt – wer's bestelln – tänigsten
Dank, korschamster Diener, Exlenz!
(0.4) Die
Andern
Diener: Bitt
schön Herr Hofrat – einer is da.
Nepalleck: (Na,) Was
für »einer«?
Diener (verlegen):
No – von die andern.
Nepalleck (herrisch):
(Von die andern!) Es gibt keine »andern«! Die Zeiten sind vorbei! (Gottseidank.)
(Diener: (Es ist
einer vom seligen Thronfolger, Herr Hofrat.)
Nepalleck: Hab ich
Ihnen nicht gesagt, daß jeder, der kommt (ausnahmslos) –
Diener: Bitt
schön – er sagt, daß es nur wegen einer Erkundigung is.
Nepalleck: Möcht
wissen, was es da noch zu erkundigen gibt, alstern herein mit ihm (aber
g’schwind).
(Diener
ab.)
(0.5) Alter
Kammerdiener
(Ein alter Kammerdiener des verstorbenen Erzherzogs
tritt auf.)
Nepalleck (zischt
hervor): Was wollen S'?
Der alte Kammerdiener: Zu dienen, gnädiger Herr Hofrat – also –
ich weiß mir in dieser Beziehung – also diesfalls – also
anderweitig –
Nepalleck: Was Sie
wollen, möcht ich gern hören!
Kammerdiener: Nämlich das Unglück, das große
Unglück (drunten in Sarajevo), also nicht wahr, gnädiger Herr Hofrat –
also wo ich schon unter kaiserlichen Hoheit – hochseligen Weiland –
Herrn Erzherzog Ludwig, Gott hab ihn selig –
Nepalleck: Aha,
also mit einem Wort, Sie sind ein vazierender Kammerdiener – Sie, mein
Lieber, das schlagen S'Ihnen (gleich) aus dem Kopf, Anstellungen werden hier
nicht vergeben! (Man kann nicht zwei Herren
dienen.)
Kammerdiener (weinend):
Aber nein, Herr Hofrat – aber nein, Herr Hofrat –
Nepalleck: Was,
zudringlich wern S'?
Kammerdiener:
Aber nein, Herr Hofrat – nicht will ich – nicht will
ich –
Nepalleck: Also was
denn sonst?
Kammerdiener:
Aber nein – wahr is, ein strenge Herr – aber strenge – und
– gute Hoheit – aber – so –
Nepalleck: Sie, Verehrtester, erzählen S' uns hier keine
Raubersgschichten – sagen S' (endlich) was Sie von uns wollen!
Kammerdiener:
Aber nix wollen, Herr Hofrat, nix, nix, gar nix wollen – nur sprechen
– nur sprechen – nur sprechen – vor der Leich noch amal –
Nepalleck (seine
Stimme erhebend): Sprechstunden
hab ich für Sie keine, verstanden?
(0.6) Montenuovo
(Von rechts, durch den Lärm gerufen, stürzt Obersthofmeister
Fürst Montenuovo mit wutverzerrtem Gesicht herein.)
Montenuovo: Was ist
(denn)? – Ah is schon einer da! Sie, schaun Sie, daß Sie weiter kommen!
Hier findet keiner von euch einen Posten, verduften, (aber) gschwind!
Kammerdiener (mit
großem Staunen): Ich – hab – Jesus – zu dienen, gnädigste
Durchlaucht –
(Ab.)
(0.7) Montenuovo
Montenuovo: Sie,
Hofrat, Sie wissen, daß hier kein Asyl für Obdachlose ist – ich habe nun
einmal die Initiative ergriffen, also – (eine) Ruh will ich haben!
Nepalleck:
Durchlaucht können sich verlassen, es wird nicht mehr vorkommen, der Mensch
wollte nur –
Montenuovo: Alleseins. Daß mir keine von den Belvedere-Visagen
(des verstorbenen Thronfolgers) hier unterkommt! – Wie viel Einladungen
(hamma)?
Nepalleck:
Achtundvierzig.
Montenuovo: Was
reden S' denn?
Nepalleck: Ach so, bitte tausendmal um
Vergebung, ich hab an (ans Diner) morgen abends gedacht. – (Für die
Trauerfeierlichkeiten) Sechsundzwanzig.
Montenuovo: Die
sechs noch streichen!
(Ab.)
Nepalleck: Zu
Befehl! (Setzt sich wieder an den Schreibtisch.)
(0.8) Fürst
Weikersheim
Fürst Weikersheim, dicht hinter ihm der Diener.
Diener: Bitte
Durchlaucht, (ich darf wirklich nicht,) ich habe den strengsten
Auftrag –
Fürst Weikersheim: Was hat der? Auftrag? Was? Man muß hier angemeldet
werden?
(Diener ab.)
(Nepalleck bleibt am Schreibtisch
sitzen, ohne aufzublicken. Der Fürst nach einer Pause des Wartens.)
Fürst Weikersheim: Sie! (Nach einer weitern Pause lauter) Sie! Was
– geht hier vor? (schreiend) Sie, stehn Sie auf!
Nepalleck (wendet
den Kopf, obenhin): Guten Tag, guten Tag.
Fürst Weikersheim (nach einer Pause sprachlosen Staunens): Was – ist – das? So – rasch –
(geht das hiert?) (Mit Betonung) Sie, wissen Sie, wer ich bin?
Nepalleck: Was ist
denn, was ist denn, natürlich weiß ich das, Sie sind der gefürstete Baron Bronn
von Weikersheim. (Engster Vertrauter des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand
selig.)
Fürst Weikersheim: Und Sie sind ein – (Noch niemals hat Wien eine
solche Würdelosigkeit, eine solche Verletzung der Rücksichten, welche einem für
Kaiser und Reich gefallenen Erzherzog-Thronfolger gebühren, erlebt! – Dem
Generalispektor der gesamten bewaffneten Macht auf seinem letzten Weg die
militärischen Ehren, die jedem toten Soldaten erwiesen werden, vorzuenthalten!
Eine Ungeheuerlichkeit, die wir uns nicht gefallen lassen werden!) – Und
der dort ist Ihr Vorgesetzter!
(Ab, indem er die Tür ins Schloß wirft.)
(0.9) Nepalleck
Nepalleck (lacht
krampfhaft.)
(Das Telephon klingelt.)
Nepalleck: Korschamster
Diener Exlenz, in dem Moment hat sich (Baron Bronn von Weikersheim bei mir)
–
(Montenuovo steckt den Kopf zur Tür herein, blitzschnell
dreht sich Nepalleck um.)
Nepalleck: Zu
Befehl Durchlaucht –
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