1-22. Szene                                                                                                                         Vor dem Kriegsministerium (Optimist & Nörgler) (3)

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Optimist, Nörgler, Zeitungsausrufer, zwei Flüchtlinge; Direktor des Hofzeremoniell-Departments Hofrat Friedrich Wilhelm Ritter von Nepalleck (verantwortlich für das Begräbnis des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand), Baron Angelo Eisner von Eisenhof (stadtbekannte Betriebsnudel mit ausgeprägtem Hang zum Namedropping, vermögender Gutsbesitzer, päpstlicher Geheimkämmerer und im Weltkrieg Präsident des Spitals »Goldene Schnepfe« in Dornbach, gerne auf Wohltätigkeitsveranstaltungen) / Schiebertrupp, Kolporteur, vorübergehender Lobkowitz, Menschenmenge aus deutschnationalen Studenten und galizischen Flüchtlingen

Der Optimist und der Nörgler im Gespräch.

(1.22.1)                                                                                                                                                                                      Optimist & Nörgler (3)

Der Optimist: Sie legen Scheuklappen an, um die Fülle von Edelsinn und Opfermut, die der Krieg an den Tag gefördert hat, nicht zu bemerken.

Der Nörgler: Nein, ich übersehe nur nicht, welche Fülle von Entmenschtheit und Infamie nötig war, um dieses Resultat zu erzielen. Wenn's einer Brandstiftung bedurft hat, um zu erproben, ob zwei anständige Hausbewohner zehn unschuldige Hausbewohner aus den Flammen tragen wollen, während achtundachtzig unanständige Hausbewohner die Gelegenheit zu Schuftereien benützen, so wäre es verfehlt, die Tätigkeit von Feuerwehr und Polizei durch Lobsprüche auf die guten Seiten der Menschennatur aufzuhalten.

Es war ja gar nicht nötig, die Güte der Guten zu beweisen, und unpraktisch, dazu eine Gelegenheit herbeizuführen, durch die die Bösen böser werden. Der Krieg ist bestenfalls ein Anschauungsunterricht durch stärkere Kontrastierung. Er kann den Wert haben, daß er künftig unterlassen werde. Ein einziger Kontrast, der zwischen gesund und krank, wird durch den Krieg nicht verstärkt.

Der Optimist: Indem die Gesunden gesund und die Kranken krank bleiben?

Der Nörgler: Nein, indem die Gesunden krank werden.

Der Optimist: Aber auch die Kranken gesund.

Der Nörgler: Sie denken da an das bekannte Stahlbad? Oder an die bewiesene Tatsache, daß die Granaten dieses Krieges Millionen Krüppel gesund geschossen haben? Hunderttausende Schwindsüchtiger gerettet und ebensoviele Luetiker (Syphilitiker) der Gesellschaft zurückgegeben?

Der Optimist: Nein, dank den Errungenschaften der modernen Hygiene ist es gelungen, so viele im Krieg Erkrankte oder Beschädigte zu heilen –

Der Nörgler: – (ja,) um sie (dann) zur Nachkur (wieder) an die Front zu schicken. Aber diese Kranken werden ja nicht durch den Krieg gesund, sondern trotz dem Krieg und zu dem Zweck, um wieder dem Krieg ausgesetzt zu werden.

Der Optimist: Ja, es ist nun einmal Krieg. Vor allem aber ist es unserer fortgeschrittenen Medizin gelungen, die Verbreitung von Flecktyphus, Cholera und Pest zu verhindern.

Der Nörgler: Was wiederum nicht so sehr ein Verdienst des Krieges ist als einer Macht, die sich ihm in den Weg stellt. Aber sie hätte es noch leichter, wenn's keinen Krieg gäbe. Oder soll es für den Krieg sprechen, daß er die Gelegenheit geboten hat, ein wenig seinen Begleiterscheinungen beizukommen? Wer für den Krieg ist, hätte diese mit größerem Respekt zu behandeln. Schmach einem wissenschaftlichen Ingenium, das sich auf Prothesen etwas zugute tut anstatt die Macht zu haben, Knochenzersplitterungen vorweg und grundsätzlich zu verhüten.

In ihrem moralischen Stand ist die Wissenschaft, die heute Wunden verbindet, keine bessere als jene, die die Granaten erfunden hat. Der Krieg ist eine sittliche Macht neben ihr, die sich nicht nur damit begnügt, seine Schäden zusammenzuflicken, sondern es zu dem Zweck tut, das Opfer wieder kriegstauglich zu machen. Ja, so antiquierte Gottesgeißeln wie Cholera und Pest, Schrecknisse aus Kriegen von annodazumal, lassen sich von ihr imponieren und werden fahnenflüchtig.

Aber Syphilis und Tuberkulose sind treue Bundesgenossen dieses Kriegs, mit denen es einer lügenverseuchten Humanität nicht gelingen wird, einen Separatfrieden abzuschließen. Sie halten Schritt mit der allgemeinen Wehrpflicht und mit einer Technik, die in Tanks und Gaswolken daherkommt. Wir werden schon sehen, daß jede Epoche die Epidemie hat, die sie verdient. Der Zeit ihre Pest!

Der Optimist: Da wären wir ja vor dem Kriegsministerium angelangt. Das ist heute (ja) ein (sehr) erwartungsvoller Tag –
(Verlauf der Schlachten bei Tannenberg vom 26. – 31. August 1914)

(Man sieht einen Trupp Schieber aus dem Haupttor kommen.)

Ein Zeitungsausrufer: Extraausgabee – Weltblaad!

Ein Flüchtling (der mit einem andern geht): Geben Sie her!

(reißt dem Kolporteur das Blatt aus der Hand, liest vor:)

»Alles steht gut! Kriegspressequartier 30. August (1914), 10 Uhr 30 Minuten vormittags. Die Riesenschlacht (bei Tannenberg gegen die russische Armee) geht heute, Sonntag, weiter. (Bei den großen Kämpfen, in denen die russische Armee in Ostpreußen bei Tannenberg geworfen wurde, gerieten nach vorläufiger Schätzung über 30.000 Russen mit vielen hohen Offizieren in Gefangenschaft.) Die Stimmung im Hauptquartier ist gut, weil alles gut steht. Das Wetter ist prachtvoll. (Oberleutnant beim Kriegspressequartier Armin) Kohlfürst.«

Der zweite Flüchtling: Das muß etwas ein Heerführer sein! (xxx)

(Ab.)

Der Nörgler: Die (steinernen) Masken an der Fassade dieser Sündenburg (des Kriegsministeriums), die »rechts schaut« und »links schaut« machen, sind heute besonders stramm orientiert. Wenn ich länger auf einen dieser entsetzlichen Köpfe schaue, bekomme ich Fieber.

Der Optimist: Was haben Ihnen diese alten, martialischen Typen (denn) getan?

Der Nörgler: Nichts, nur daß sie martialisch sind und dennoch den Sendboten Merkurs (den Gott des Handels) den Eintritt nicht wehren konnten. Zu aller Blutschlamperei noch dieser mythologische Wirrwarr! Seit wann ist denn Mars der Gott des Handels und Merkur der Gott des Krieges?

Der Optimist: Der Zeit ihren Krieg!

Der Nörgler: So ist es. Aber die Zeit hat nicht den Mut, die Embleme ihrer Niedrigkeit zu erfinden. Wissen Sie, wie der Ares (der Kriegsgott des schrecklichen Krieges, des Blutbades und Massakers) dieses Krieges aussieht? Dort geht er. Ein dicker Jud(e - Geschäftsmann) vom Automobilkorps (zu dem sich die Autobesitzer mit ihren Chauffeuren freiwillig melden). Sein Bauch ist der Moloch. Seine Nase ist eine Sichel, von der Blut tropft. Seine Augen glänzen wie Karfunkelsteine. Er kommt zum (Hofkonditorei) Demel gefahren auf zwei Mercedes, komplett eingerichtet, (sogar) mit Drahtschere. Er wandelt dahin wie ein Schlafsack. Er sieht aus wie das liebe Leben, aber Verderben bezeichnet seine Spur.

Der Optimist: Sagen Sie mir, ich bitt Sie, was haben Sie gegen den (Bankier) Oppenheimer?

(Vor dem Kriegsministerium ist inzwischen die Menschenmenge angewachsen, sie besteht zumeist aus deutschnationalen Studenten und galizischen Flüchtlingen. Man sieht vielfach beide Typen Arm in Arm und plötzlich ertönt der Gesang: »Es broost ein Ruf wie Donnerhall« – »Die Wacht am Rhein«)

Gesang :                                    Es braust ein Ruf wie Donnerhall,

Wie Schwertgeklirr und Wogenprall:

Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!

Wer will des Stromes Hüter sein?

Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein,

Fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein!

Fest steht und treu die Wacht am Rhein!

Solang ein Tropfen Blut noch glüht,

Noch eine Faust den Degen zieht,

Und noch ein Arm die Büchse spannt,

Betritt kein Feind hier deinen Strand.

Fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein!

Fest steht und treu die Wacht am Rhein!

So führe uns, Du bist bewährt;

In Gottvertrau’n greif’ zu dem Schwert,

Hoch Wilhelm! Nieder mit der Brut!

Und tilg’ die Schmach mit Feindesblut!

Fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein!

Fest steht und treu die Wacht am Rhein!

(1.22.2)                                                                                                                                     Hofrat Nepalleck & Angelo Eisner von Eisenhof

(Der Direktor des Hofzeremoniell-Departments Hofrat Friedrich Wilhelm Ritter von Nepalleck (der das Begräbnis des Thronfolgerpaares organisierte) und Baron Angelo Eisner von Eisenhof (eine stadtbekannte Betriebsnudel mit ausgeprägtem Hang zum Namedropping, vermögender Gutsbesitzer, päpstlicher Geheimkämmerer und im Weltkrieg Präsident des Spitals »Goldene Schnepfe« in Dornbach) treten auf einander zu.)

Eisner von Eisenhof: Verehrter Hofrat (Nepalleck), servitore, wie steht das Befinden, was macht Seine Durchlaucht, (Fürst Montenuovo)? Wir haben uns ja seit (dem Begräbnis vom Thronfolger vor zwei Monaten) damals (nicht mehr gesehen) –

Nepalleck: Djehre. Danke. Kann nicht klagen. Durchlaucht gehts famos.

Eisner von Eisenhof: Das Allerhöchste Anerkennungsschreiben (des Kaisers) damals (für das erfolgreiche Bemühen um die Begräbnisfeierlichkeiten), ja das war Seiner Durchlaucht (Montenuovo) zu gönnen, das muß seinen Nerven rasend wohl getan haben, die Gesellschaft ist jetzt auch nur einer (einstimmigen) Ansicht –

Nepalleck: No ja, natürlich – und Sie Baron (Eisenhof), machen Sie viel mit? Von der (vielen) Wohltätigkeit (sveranstaltungen zu Gunsten der Kriegsopfer wohl) sehr in Anspruch genommen, kann (könnt ich) mir denken –

Eisner von Eisenhof: Nein, da überschätzen Sie mich, lieber Hofrat (Nepalleck). Ich ziehe mich jetzt zurück. Da ist eine Reihe neuerer Streber (hochgekommen), denen man gern das Feld überläßt. Es ist nicht jedermanns Geschmack, mit so einer Klasse (von offensichtlichen Wichtigtuern) – nein, das tentiert mich gar nicht – da –

Nepalleck: No aber die gute Sache, die gute Sache, Baron, wie ich Sie kenne, werden Sie die vielen Arrangements (in denen Sie sich engagiert haben,) doch nicht ganz vernachlässigen, wenn Sie auch, wie ich ganz begreiflich finde, nicht mehr selbst in die Komitees (mitarbeiten) –

Eisner von Eisenhof: Nein, ich walte jetzt nur im Herrnhaus – ah was red ich, im Hausherrnverein, da gibts Hals über Kopf zu tun, der (Ludwig) Riedl, Sie wissen ja (der Chef vom Café de l’Europe am Stephansplatz), ist (auch) nicht mehr der Alte – er muß eine Enttäuschung erlebt haben oder ich weiß nicht, er scheint sich durch den Krieg halt ein bißl vernachlässigt zu fühlen – ja, ja, die populärsten Persönlichkeiten (in Wien) sind jetzt ein wenig aus ein (dem) Geleise gekommen, andere drängen sich (ungeniert) vor –

Nepalleck: Na ja, wird sich schon wieder ausgleichen – auch bei uns ist (sind leider Veränderungen zu beobachten) –

Eisner: Ja, wir müssen alle Geduld haben (fürcht ich). Ich für meine Person habe sehr bittere Erfahrungen gemacht (machen müssen). Wissen Sie, die (das ganze Engagement für die) Wohltätigkeit, das ist auch so ein (eigenes) Kapitel. Uje, da könnt ich der Fackel (von dem Kraus) Stoff geben (noch und nöcher) – wenn man sich mit dem (diesem) Menschen einlassen könnte, heißt das. – Wissen Sie, Hofrat, nur opfern und nichts wie opfern und gar keinen Dank (zurückbekommen)? Mein Gott ja, ich entziehe mich natürlich nicht – meine Freunde (Graf) Harrach, (Graf) Schönborn und die andern geben ihre Feste, sie schicken mir ihre (Einladungs)Karten – erst gestern hat mich der Pipsi Starhemberg, Sie wissen doch, der was sich mit der Maritschl Wurmbrand (verlobt hat) –

Nepalleck: Gehn S', ich war der Meinung, daß er sich mit der Mädi Kinsky –

Eisner von Eisenhof: Aber im Gegenteil, wo denken Sie hin, da kommt doch nur der Bubi Windischgrätz in Betracht, wissen S', der Major, der jetzt bei der (kaiserlichen) Gard(e) is – also ich sag Ihnen, bestürmt wird man von allen Seiten (zum Mitmachen), erst gestern sagt mir der Mappl Hohenlohe bei der (Morgen) Meß – wissen S', der wo sie eine (Gräfin) Schaffgotsch is – »du«, sagt er, »warum machst du dich jetzt so rar?«, sag ich ihm, »lieber Mappl, tempora mutatur (die Zeiten ändern sich eben und wir ändern uns leidergottes auch in ihnen), was jetzt für Leut obenauf sind, (der Bodensatz der Gesellschaft,) ich begreif euch alle nicht, daß ihr da (überhaupt) noch mittuts (könnts). Ich für meine Person bin rasend gern (am liebsten) dort, wo's still is. Mit einem Wort, wo man nicht bemerkt wird.« Wissen Sie, lieber Hofrat (Neppaleck) was er drauf gesagt hat? »Recht hast du«, hat er gesagt! (»Recht hast du!«) Ich denk nämlich darin ganz wie der (Graf) Montschi. Selbstverständlich leiste ich pünktlich mein Scherflein (ohne zu Murren) – aber (auch noch) hingehn? Nein, (nein, nein) da kennen Sie mich schlecht. Ich war nie ein Freund von der Öffentlichkeit. (Nie.) Wissen Sie, da kann es einem noch passieren – man ist da (ganz) harmlos (nichtsahnend) bei einem Tedeum (für die Gefallenen), und am nächsten Tag steht man (schon in der Gesellschaftschronik) unter den Anwesenden in der Zeitung!

Nepalleck: No das is zwider, das kenn ich. – Jetzt hab ich wenigstens drauf gedrungen, wenn's mich schon nennen müssen (in der Chronik), so wenigstens mit dem (meinem) vollen Namen. Nicht mehr wie bisher (nur einfach) Hofrat Nepalleck, oder Hofrat Wilhelm Nepalleck, sondern, weil ich also eigentlich Wilhelm Friedrich heiß – Hofrat Friedrich Wilhelm Nepalleck. – Was, das macht sich jetzt ganz gut, da könnt ich gleich nach Potsdam (zum Kaiser Wilhelm) übersiedeln –

Eisner von Eisenhof: Das macht sich famos! Aber – nach Potsdam übersiedeln? Hätten S' denn dazu Lust?

Nepalleck: Woher denn, (gar ka Red’,) es is nur wegen der Nibelungentreue (zu unsere Deutschen Kampgenossen). Ich – meine Durchlaucht (Montenuovo) verlassen! (Undenkbar!) Noch heut is mir die Durchlaucht für das (korrekte) Arrangement des höchsten Begräbnisses (des Thronfolgerpaares über die Maßen) dankbar.

Eisner von Eisenhof: Das war aber auch schön!

Nepalleck: Mit strikter Einhaltung (aller Formalitäten) – wie eben ein Begräbnis dritter Klasse (auszuschauen hat) –

Eisner von Eisenhof: Das ist Ihnen wieder einmal gelungen, erstklassig. Wirklich furchtbar nett war das damals auf der Südbahn (wie die Särge angekommen sind aus Triest. Fabelhaft arrangiert!).

(Er grüßt einen Vorübergehenden: Djehre!)

Eisner von Eisenhof: War das nicht ein Lobkowitz? Dann beklagt er sich wieder, daß ich ihn nie erkenn – Also (draußen) in Artstetten (wo dann das eigentliche Begräbnis war – die Kapuzinergruft ist ja bedauerlicherweise wegen ihr nicht in Frage gekommen, also) natürlich, da – da hat man leider schon ein bißl gemerkt, daß Sie Ihre Hand nicht im Spiel ghabt haben, (verehrter Hofrat,) da is (schon) ziemlich ordinär zugegangen (was man so gehört hat, das muss man schon sagen).

Nepalleck: Selbstverständlich (da haben Se ganz Recht – aber warum?) Weil es uns unmöglich gemacht wurde! Das Belvedere (also die ganzen Anhänger vom Thronfolger) hat sichs nicht nehmen lassen. Oh, wir haben drauf bestanden, (Durchlaucht hat g’sagt: Ich stell Euch die Leichen bis auf die Westbahn, lass sie noch einwaggonieren und abrollen, dann könnt’s machen, was wollt’s.) Ich hab (von Anfang an) gsagt: (es muss streng) nach dem spanischen (Hof) Zeremoniell (vorgegangen werden), da gibts keine Würschtel! No, und da hats dann leider, weil (sichs) die Herrschaften so entetiert warn (in den Kopf g’setzt haben), also in Artstetten (draußen hats) halt (leider dann) doch Würschtel gegeben. (Im wahrsten Sinne des Wortes.)

Eisner von Eisenhof: Wie(so denn das)?

Nepalleck: No (das wissen Sie gar nicht? Die G’schicht mit die Würschteln? No,) ja, die Feuerwehrleut habens (gfressen, die draußen abkommandiert waren, aber nicht nur Würschteln, sondern auch Bier) neben die Särge Ihrer Hoheiten gfressen, wie's (wie draußen das große) Gewitter war. (Stellen Sie sich vor, die zwei Särge haben ja im strömenden Regen auswaggoniert werden müssen. Quelle Horreur! Zwischen die Gleise, im heulenden Sturm, von Blitzen umzuckt, sind die Särge dann mehr wie eine Stund’ lang im Freien herumgestanden. Erst um ½5 Uhr in der Früh hat das Gewitter dann nachlassen. Plötzlich sind die Särge dann im Kassenraum vom (Pöchlarner) Frachtenbahnhof herum gstanden, wie bestellt und nicht abgeholt, schöne G’schicht! Und in der peinlichen Sorge, daß die Einsegnung am Bahnhof ungestört verlauft, ist völlig vergessen worden, die Absperrvorschriften einzuhalten. Und die Veteranen und Feuerwehrleut’ von Pöchlarn haben sich dann plötzlich bei Würsteln und Bier amüsiert. Zigarren hams auch graucht, es war ein Riesenpalawatsch, wirklich ein Schkandal. Am Perron is’ zug’angen wie im Schweizerhaus. Alle ham durcheinanderg’schrien und am Büfett um
Würstel und Bier g’rauft. Degutant!)

– na, Sie wissen ja, wir sind unschuldig, am Südbahnhof (vorher) wars (doch noch) so schön feierlich.

Eisner von Eisenhof: Ich denk's wie heut, ich bin damals (im Hofwartesalon) zwischen dem Cary Auersperg und dem Poldi Kolowrat gestanden. Wir haben uns ja seit dem historischen Augenblick nicht gesehn.

Nepalleck: Ja, wir (im Obersthofmeisteramt) haben (wirklich) unser Möglichstes getan (mehr war da nicht zu machen). Das Allerhöchste Anerkennungsschreiben (des Kaisers) (– Handschreiben! –) hat aber auch den gewissen Herrschaften (aus der Aritokratie, die doch tatsächlich verlangt haben, seine Durchlaucht Fürst Montenuovo den Abschied zu geben) die p.t. Münder gestopft (Sie kennen den Text?):

»(Im Vollbesitz meines Vertrauens seit einer Reihe von Jahren an der Spitze meines Hofstaates stehend haben Sie) Stets in Übereinstimmung mit meinen Intentionen (unermüdlich und mit ganzem Erfolg Ihres verantwortungsreichen Amtes gewaltet.)«

Und vor allem, daß anerkannt worn is, wie sich Durchlaucht, das heißt also wir (im Obersthofmeisteramt) sich mit dem Begräbnis geplagt haben. Ich kanns (schon) auswendig:

»In den jüngsten Tagen hat das Hinscheiden Meines geliebten Neffen, des Erzherzogs Franz Ferdinand, mit welchem Sie andauernd vertrauensvolle Beziehungen verbanden – «

Eisner von Eisenhof: Das waren (ja) zwei Fliegen auf einen Schlag.

Nepalleck: (No,) Sehr richtig.

» – ganz außerordentliche Anforderungen an Sie, lieber Fürst, herantreten lassen und Ihnen neuerlich Gelegenheit geboten – «

Eisner von Eisenhof: Gewiß, Seine Durchlaucht muß (über)glücklich gewesen sein, daß ihm das Hinscheiden (des Thronfolgerpaares) Gelegenheit geboten hat. Das kann man ihm (wirklich wärmstens) nachfühlen.

Nepalleck: So ist es. (Wurde ja auch in allen Zeitungen gebracht.)

» – Ihre aufopfernde Hingebung an Meine Person und an Mein Haus in hohem Maße zu bewähren.« Also bitte! Und »wärmsten Dank und volle Erkenntlichkeit für ausgezeichnete treue Dienste« – was will man mehr, da dürften wohl manche Herrschaften (vor Zorn) zersprungen sein.

Eisner von Eisenhof: Das Allerhöchste Anerkennungsschreiben (des Kaisers) kann wohl nicht (ganz) überraschend für Seine Durchlaucht (Fürst Montenuovo) gekommen sein?

Nepalleck: Gar keine Spur, Durchlaucht hat gleich nach der Leich (des Thronfolgerpaares) die Initiative ergriffen – das heißt, ich meine –

Eisner von Eisenhof: Ach ja, Sie wollen sagen, die Ereignisse haben sich überstürzt. Sehn Sie, lieber Hofrat – und jetzt haben wir gar den Weltkrieg.

Nepalleck: Ja, eine gerechte, eine erhebende Sühne! Ja, ja. Wenn Durchlaucht (damals) nicht (sofort) die Initiative ergriffen hätte –

Eisner von Eisenhof: Wie? Zum Weltkrieg?

Nepalleck: Ah (Aber nein, ich bitt’ Sie,) was red ich. Ich wollte sagen, Allerhöchstes Ruhebedürfnis ganz einfach.

Eisner von Eisenhof: Wie? Für'n Weltkrieg?

Nepalleck: (Aber) Nein (gar ka Red’ – nur eben keine ausländische Monarchen oder Würdenträger beim Begräbnis, um seiner kaiserlichen Hoheit die längere und ermüdende Zeremonie zu ersparen.) – verzeihen S', ich hab an was anderes gedacht. Ich wollte sagen, so hat das nicht weitergehn können, so nicht. Wissen Sie, seit der Annexion (von Bosnien und Herzegowina vor zehn Jahren) –

Eisner von Eisenhof: Ich hab's dem (Aussenminister Baron) Ährenthal vorausgesagt. Ich denk's wie heut, das war doch in dem Jahr, wo die Alin' Palffy in die Welt gegangen is. Ich hab ihn noch bis am Ball(haus)platz (ins Ministerium) begleitet –

Nepalleck: Wenns auch für den einzelnen eine schwere Last ist –

Eisner von Eisenhof: Ja, freilich, wer hat nicht zu klagen, (auch) ich habe Verluste –

Nepalleck: Was? Auch Sie, Baron?

Eisner von Eisenhof: Ja, ja, (na natürlich,) kaum, daß man sich mit ein paar (Kriegs)Lieferungen herausreißt. Ich bin eben grad auf dem Weg da hinüber – dann treff ich vielleicht noch den Tutu Trauttmansdorff – ja, jetzt heißt es durchhalten, durchhalten (durchhalten, lieber Hofrat) – die Hauptsache ist und bleibt, daß sich unsre Leut (an der Front) gut schlagen (nicht wahr?), das Weitere findet sich (wird sich finden) – Kompliment, Handkuß an Seine Durchlaucht (Fürst Montenuovo) –

Nepalleck: Danke, danke. Wer's bestellen, Kompliment, Wiedersehn (Baron) –

(Man hört den Gesang: »Es broost ein Ruf« – »Die Wacht am Rhein«)

Gesang :                                    Es braust ein Ruf wie Donnerhall,

Wie Schwertgeklirr und Wogenprall:

Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!

Wer will des Stromes Hüter sein?

Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein,

Fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein!

Fest steht und treu die Wacht am Rhein!