1-28. Szene                                                                                                                                                                                               In der Redaktion

> download Word-Doc

Stimme des diktierenden Zeitungsherausgebers der Neuen Freien Presse Moritz Benedikt

Schwarzer, graumelierter, wolliger, ganz kurzer Backen- und Kinnbart, der das Gesicht wie ein Fell umgibt und mit ebensolcher Haarhaube verwachsen scheint; energisch gebogene Nase; große gewölbte Augen mit vielem Weiß und kleiner stechender Pupille. Die Gestalt ist gedrungen und hat etwas Tapirartiges. Jackettanzug und Piquéweste.

Man hört die Stimme des diktierenden Benedikt.

Moritz Benedikt:

(Der Morgen des 7. Juli hat unserer wackeren Flotte einen neuen und schönen Erfolg gebracht. Eines unserer Unterseeboote griff einen italienischen Panzerkreuzer an und versenkte ihn durch einen Torpedoschuss. Den Verlust, den die italienische Marine durch den Untergang dieses Schiffes erleidet, ist für sie ein sehr schmerzlicher. Es ist der Panzerkreuzer „Amalfi“.)

Und die Fische, Hummern und Seespinnen der Adria haben lange keine so guten Zeiten gehabt wie jetzt. In der südlichen Adria speisten sie (in der ruhigen und klaren Nacht des 27. April 1915 schon) fast die ganze Bemannung des (französischen Panzerkreuzers) »Leon Gambetta«. Die Bewohner der mittleren Adria fanden Lebensunterhalt an jenen Italienern, die wir von dem Fahrzeug (italienischen Zerstörer) »Turbine« (dann am 28. Mai) nicht mehr retten konnten, und (auch) in der nördlichen Adria wird den Meeresbewohnern der Tisch (jetzt) immer reichlicher gedeckt. Dem Unterseeboot »Medusa« und den zwei Torpedobooten hat sich jetzt (am Morgen des 7. Juli) der (italienische) Panzerkreuzer »Amalfi« zugesellt. (Die Torpedierung des Panzerkreuzers „Amalfi“ erfolgte um 7 Uhr morgens 30 Kilometer von der italienischen Küste entfernt. Die im Mittelteil 200 Millimeter starke Panzerung war sogleich derart durchschlagen, daß keinerlei Rettung möglich war. Die „Amalfi“ ging in einer halben Stunde unter. Trotzdem die anderen Kreuzer der Flottendivision rasch herbeieilten und aus Venedig zwei Hospitalschiffe hinzukamen, sind von der Besatzung der „Amalfi“ etwa 180 Mann ertrunken.) Die Musterkollektion der maritimen Ausbeute, die sich bisher auf das »maritime Kleinzeug« erstreckte, hat (damit) einen gewichtigen Zuwachs erhalten, und bitterer denn je muß die Adria sein, deren Grund sich immer mehr und mehr mit den geborstenen Leibern italienischer Schiffe bedeckt und über deren blaue Fluten der Verwesungshauch der gefallenen Befreier vom Karstplateau streicht – –

(Wie wird man jetzt der Bevölkerung des treulosen Bundesstaates Italien die bittere Pille verzuckern, die in dem Verluste von einem der vier großen Panzerkreuzer, welche Italien besitzt, liegt? Wird man es versuchen, diesen schweren Schlag auf Rechnung eines unglücklichen Zufalles zu setzen, wird man dem Schiffe, das angeblich – nach den Flottenlisten – eine Geschwindigkeit von 23 Knoten besaß, irgendeine Maschinenhavarie andichten, um es vor dem Publikum zu entschuldigen, daß es das viel langsamere Unterseeboot auf wirksame Lancierdistanz herankommen ließ? Oder wird man, wie man es nach der Beschießung der italienischen Ostküste in den Morgenstunden des 24. Mai tat, die wir nach italienischen Angaben mit schweren Verlusten bezahlt haben sollen, wieder zu Phantasiegemälden greifen, um das italienische Publikum durch die Vorgaukelung von unendlich albernen Tatarennachrichten über Schiffsverluste in unserer Marine zu trösten?)

Herr der Hyänen:

Habt acht! Und steht mir grade!


Ich komme zur Parade,

und es gefällt mir gut. 


Ihr habt die Schlacht gewonnen!


Nun ist die Zeit begonnen!


Nun zeiget euren Mut!

Müßt nicht mit leisen Tritten


den Tod um Beute bitten.

Weh dem, der jetzt noch schleicht!


Nein, sollt mit freiem Fuße


ihn treten, Gott zum Gruße!


Denn jetzt ist es erreicht!

Und der es einst vollbrachte,

an seinem Kreuz verschmachte,

wert, daß man ihn vergißt. 


 

Ich tret' an seine Stelle,

die Hölle ist die Helle!


Ich bin der Antichrist.

Dank steigt von allen Dächern,

daß jener zwischen Schächern


nun auch sein Spiel vollbracht. 


Sein bißchen Blut, verronnen


ist's kläglich an den Tonnen


der unverbrauchten Macht!

Die Liebe ist gelindert!


Sie hat es nicht verhindert,

was nun zum Glück geschah. 


So hört, ihr wahrhaft Frommen,

das Heil ist doch gekommen,

der Antichrist ist nah!

 

Die nie besiegte Rache


half der gerechten Sache,

ich war ihr gutes Schwert!


Sie zogen blank vom Leder


dank meiner guten Feder.

Die Macht nur ist der Wert!

Aus diesem großen Ringen


mit vielen Silberlingen


gehn siegreich wir hervor. 


So schließen sich zum Ringe


die altgedachten Dinge.

Das Kreuz den Krieg verlor!

Und die gekreuzigt hatten,

wir treten aus dem Schatten


mit gutem Judaslohn!


Mich schickt ein andrer Vater!


Von seinem Schmerztheater


tritt ab der Menschensohn.

Er weicht dem guten Bösen.

Er wollt' die Welt erlösen;


sie ist von ihm erlöst. 


Damit sie ohne Reue,

was sie erlöst hat, freue


und für den Himmel tröst'!

Der Haß mußt' sich empören.

Um nimmer aufzuhören,

war Liebe nicht gemacht. 


Dank dieser Weltverheerung


gilt eine ewige Währung,

zu der der Teufel lacht!

Geht auch die Welt auf Krücken,

der Fortschritt mußte glücken,

ging aufs Geschäft er aus. 


Was Gott nicht will, gelingt

doch, der Teufel selber hinkt

doch
und macht sich nichts daraus.

Mit invalider Ferse


geht dennoch er zur Börse


und treibt den Preis hinauf. 


Dort ist's gottlob nicht heilig,

der Teufel hat's nicht eilig


und läßt der Welt den Lauf.

Ich bin sein erster Faktor,

ich bin des Worts Redaktor,

das an dem Ende steht. 


Ich kann die Seelen packen


und trete auf den Nacken


von aller Majestät!

Ich züchtige die Geister.

Drum zollet eurem Meister


den schuldigen Tribut. 


 

Nach diesen großen Taten


auf größern Inseraten


die neue Macht beruht.

Das Leben abzutasten


mit unbeirrtem Hasten,

seid, Brüder, mir bereit. 


Versteht der Zukunft Zeichen,

tastet noch ab die Leichen,

in Ziffern spricht die Zeit!

Laßt keine Werte liegen,

die dann die andern kriegen,

macht eure Sache ganz!


Tragt ein in die Annalen


die intressantern Zahlen


und macht mir Blutbilanz!

Der alte Pakt zerreiße!


So wahr ich Moriz heiße,

der Wurf ist uns geglückt!


Weil jener andre Hirte


sich ganz gewaltig irrte!


Ich heiße Benedikt!

Ich bin gottlob verwandt nicht,

die andere Welt sie ahnt nicht,

daß ich ein andrer Papst. 


Denn alle an mich glauben,

die wuchern und die rauben


und die im Krieg gegrapst.

Die Frechen und die Feigen


vor meinem Thron sich neigen,

denn nun erst gilt das Geld. 


Daß nie der Zauber weiche


von diesem meinem Reiche!


Es ist von dieser Welt!

Ging' es nicht über Leichen,

die dicken, schweren Reichen


das Reich erreichten nie. 


Steht auch die Welt in Flammen,

wir finden uns zusammen


durch schwärzliche Magie!

Durch die geheime Finte


zum Treubund rief die Tinte


die Technik und den Tod. 


Mögt nie den Dank vergessen


den Blut- und Druckerpressen.

Ihr habt es schwarz auf rot!

Ich traf mit Druckerschwärze


den Erzfeind in das Herze!


Und weil es ihm geschah,

sollt ihr den Nächsten hassen,

um Judaslohn verlassen –


der Antichrist ist da!