1-8. Szene Eine Straße in der Vorstadt. Café
Westminster
Vier junge
Burschen mit Papierstreifen und Klebestoff, Cafetier des Café Westminster, zwei
Gäste
Man sieht den Laden einer
Modistin, eine Pathéphonfirma, das Café Westminster und eine Filiale der Putzerei
Söldner & Chini. Es treten auf vier junge Burschen, deren einer eine
Leiter, Papierstreifen und Klebestoff trägt.
1. Bursch: Hammr
schon wieder einen erwischt! Was steht da? »Salon Stern, Modes et Robes«. Das
überklebn mr als a ganzer!
2. Bursch: No aber
der Name könnt doch bleiben und daß mr weiß, was es für ein Gschäft is. Gib
her, das mach mr a so (er klebt und liest
vor) »Salo Stern Mode«. So ghört sichs. Das is deutsch. Gehmr weiter.
1. Bursch:
»Patephon, da schauts her, was is denn dös? Ist dös franzesisch?
2. Bursch: Nein,
das is lateinisch, das darf bleiben, aber da – da les ich: »Musikstücke
deutsch, französisch, englisch, italienisch, russisch und hebräisch«.
3. Bursch: Wos tan
mr do?
1. Bursch: Das muß
weg als a ganzer!
2. Bursch: Das mach
mr a so (er klebt und liest vor) »Musikstücke deutsch –
hebräisch«. So ghört sichs.
3. Bursch: Ja, aber
was is denn dös? Ah, da schaurija! Da steht ja »Café Westminster«, mir scheint
das is gar eine englische Bezeichnung!
1. Bursch: Du, das
laßt sich aber nur im Einverständnis machen, das is ein Kaffeehaus, der
Kaffeesieder könnt eine Persönlichkeit sein, wir hätten am End
Unannehmlichkeiten. Rufmrn außa, warts.
(Er geht hinein und kehrt augenblicklich mit dem Cafetier
zurück, der sichtlich sehr bestürzt ist.)
1. Bursch: Sie
werden das gewiß einsehn – es ist ein padriotisches Opfer –
Der Cafetier:
Das ist fatal, aber wenn die Herrn von der freiwilligen Kommission
sind –
4. Bursch: Ja schaun
S', warum haben Sie Ihr Lokal überhaupt so tituliert, das war unvorsichtig von
Ihnen.
Der Cafetier:
Aber meine Herrn, wer hat denn das ahnen können, jetzt is mirs selber peinlich.
Wissen S' ich hab das Lokal so tituliert, weil wir doch hier gleich bei der
Westbahn sind, wo die englischen Lords in der Saison anzukommen pflegen, also
damit sie sich gleich wie zuhaus fühln –
1. Bursch: Ja hörn
S', war denn schon einmal ein englischer Lord in Ihnern Lokal?
Der Cafetier:
Und ob! Das warn Zeiten! Jessas!
1. Bursch: Da
gratulier ich. Aber schaun S' jetztn kann eh kaner kummen!
Der Cafetier:
Gottseidank – Gott strafe England – aber schaun S', der Name hat
sich bereits so eingebürgert, und nach dem Krieg, wenn so Gott will wieder die
englische Kundschaft kommt – schaun S', da sollten S' halt doch ein
Einsehn haben.
1. Bursch: Auf so
etwas kann die Volkesstimme nicht Rücksicht nehmen, lieber Herr, und
Volkesstimme, das wird Ihnen doch bekannt sein –
Der Cafetier:
Ja natürlich, wo wird denn unsereins das nicht wissen, wir sind doch mehr oder
weniger ein Volkscafé – aber – ja wie soll ich denn nacher das
Lokal heißen?
2. Bursch: Aber machen S' Ihna keine Sorgen-,
wir tun Ihnen net weh – das wer' mr gleich haben – und zwar schmerzlos.
(Er kratzt das »i« weg.)
Der Cafetier:
Ja – was – war denn – nacher das?
2. Bursch: So! Und
jetzt lassn S' vom Maler ein »ü« hineinmal'n –
Der Cafetier:
Ein »ü«? »Café Westmünster« –?
2. Bursch: Ein »ü«!
Das is ganz dasselbe und (das) is deutsch. Taarloos! Kein Mensch merkt den
Unterschied und ein jeden muß doch auffallen, daß das ganz was anderes is, na
was sagen S'?
Der Cafetier:
Ah, großartig! ah, großartig! Sofort laß i 'n Maler kommen. Ich danke Ihnen,
meine Herrn, für die Nachsicht. Das bleibt
so, solang der Krieg dauert. Für'n Krieg tuts es ja. Hernach möcht ich freilich doch – denn was hernach die Lords sagn möchten, wann s' wiederkommen, die
möchten schaun!
(Zwei Gäste verlassen soeben das Lokal und verabschieden sich
voneinander, der eine sagt: »Adieu!« Der andere: »Adio!«)
1. Bursch: Was hab i
g'hört? Franzosen und Italiener verkehren bei Ihnen? Der eine sagt »Adieu« und
der andere sagt gar »Adio«?
Sie scheinen überhaupt eine internationale Kundschaft zu haben, da is manches verdächtig –
Der Cafetier:
No hörn S', jetzt wann einer »Adieu« sagt –
(Bursch: »Grüß Gott« sei unser deutscher Gruß!
»Adieu« lass weg beim Scheiden!
»Auf
Wiederseh’n« dir dienen muss,
Das
Fremdwort zu vermeiden.
»Verzeihung« zur Entschuldigung sprich
Anstatt
»Pardon«, dann lob ich dich.)
2. Bursch: Aber habn
S' denn net ghört, wie der erste »Adio« gsagt hat? Das ist die Sprache des
Erbfeinds!
3. Bursch: Des
heimtürkischen Verräters!
4. Bursch: –
Des Treubrüchigen am Po!
1. Bursch: Jawohl,
der Verräter war unser Erbfeind!
2. Bursch: Unser
Erbfeind, der was uns die Treue gebrochen hat!
3. Bursch: Am Po!
4. Bursch: Am Po!
Mirken S' Ihna das!
(Der Cafetier ist schrittweise in das Lokal
zurückgewichen.)
1. Bursch (ihm nachrufend): Sie englischer
Katzelmacher am Po!
2. Bursch: Da hätt
mr einmal ein Exempel schtatuiert mit die Fremdwörter! Gehmr weiter.
3. Bursch: Da schauts
her, heut hammr Glück: »Söldner & Chini«! Das is schon wieder dieselbe
Melange wie bei dem Kaffeesieder. Söldner,
also das is doch bekanntlich ein Engländer – und Chini, das is ein Italiener!
1. Bursch: Gott strafe England und vernichte
Italien – das überkleb'n mr als a ganzer! »Chemische Putzerei«? Putz'n weg! Ich hab einen Viechszurn in mir –
morgen muß der Bezirk von alle Fremdwörter gereinigt sein, wo ich noch eins
d’rwisch, dem reiß ich 's Beuschl heraus!
(Der Zweite überklebt die Tafel)
3. Bursch: Es is am
besten, wir separiern uns jetzt, ihr zwei bleibts auf dem Trottoir, wir gehn
fisafis.
1. Bursch: Das is fatal, aber ich kann heut nicht mitgehn,
ich bin sehr pressiert, ich hab nämlich ein Rendezvous –
2. Bursch: Das is
ein Malheur. Ohne dich riskiern wir am End einen Konflikt. Mich geniert das
zwar nicht, aber die Leut wern impatinent und –
4. Bursch: Mich
tuschiert so was auch nicht weiter – aber wir könnten halt doch in eine
Soß hineinkommen. Mir is zwar bisher nichts passiert –
2. Bursch: Ich
versteh, das is odios, und ich bin immer sehr dischkret darin, daß ich mit die
Leut harmonisch auseinanderkomm! Aber ihr dürfts euch eben nicht imponieren
lassn. Jetzt heißt's resolut sein und die patriotische Aktion, die wir einmal
entriert haben, atupri konsequent durchführn.
3. Bursch: Ja
natürlich, wenn einer aber, wie die Leut schon sind, mit dem Argument
daherkommt, daß man ihm seine Existenz ruiniert – er fangt zu lamentieren
an oder wird gar rabiat, dann –
1. Bursch: Aber ich
bitt dich – gar net ignorieren! Oder stantape replizieren: Jetzt sind
höhere Interessen! Da wird er schon eine Raison annehmen. Die Leut sind ja
intelligent. Man dischkuriert net lang – wo kommt man denn hin, wenn man
sich mit jedem erst auf paar Purlees einlassen wollt –
2. Bursch: Wenn er
sich aber zu echauffieren anfangt – die Leut wern gleich
ordinär –
1. Bursch: Da
heißt's ihr ihn ein subversives Element, basta! Also – Kurasch! Morgen
referierts mir, da assistier ich euch wieder – Herrgott dreiviertel auf
fünf is, jetzt muß ich momentan ein Tempo annehmen – sonst komm ich
akkurat zu spät also amüsierts euch gut – Kompliment –
Adieu –!
3. Bursch: Serwas!
4. Bursch: Servitore!
2. Bursch: Orewar!
1. Bursch (zurückhaltend): Apropos, im Fall
einer protestiert, legitimierts euch einfach als interimistische Volontäre der
»provisorischen Zentralkommission des Exekutivkomitees der Liga zum Generalboykott
für Fremdwörter«. Adio!
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