2-14. Szene                                                                                                                                                                                       Eine Jagdgesellschaft

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von Dreckwitz, Jagdgesellschaft

v. Dreckwitz: Ach hört mal auf mit euerm Jägerlatein. Mein Jahr in Rußland zählt dreifach gegen alle eure lummrigen Friedensjahre! Gut Gejaid alle Zeit gab's in Feindesland. Herrliche Tage waren's, wenn man als Sieger dem geschlagenen Feind auf den Fersen saß, ihn zustande hetzte, bis er, zu Tode erschöpft, sich dem Sieger ergab. Krieg ist doch wohl die natürlichste Beschäftigung des Mannes. Aber es gab damals auch einen Wundbalsam, der alles wieder gut machte, den ich mir kaum zu erträumen gewagt – das Kreuz von Eisen ohne Band! Ab und zu mußte man schon die alte Feldpulle zwischen die Zähne nehmen, um sich wenigstens innerlich etwas anzuwärmen. Man wird besinnlich in solchen Momenten. Ich dachte an den schönen lustigen Franzosenkrieg, wie wir die feindliche Kavallerie in den Dreck ritten, wo sich nur ein Pferdebein zeigte, um schließlich in der sonnigen Champagne unsre Rosse zu tummeln. Man bekam ein verdächtiges Schlucken in den Hals, wenn man an all den guten Schampus dachte, der einem damals durch die Kehle gerieselt war! Weiter führten einen die Gedanken mit einem kleinen Hupf in ein neues Feindesland: Belgien! Fruchtbare Felder, reiche Städte dicht gedrängt erwarteten uns da. Einen himmelblauen Gurkha und zwei belgische Radler konnte ich damals in mein Schußbuch eintragen. Und dann – die Grenzpfähle nach Polenland wegzufegen! Und, beim großen Zeus, unsere Flinten und Lanzen sollten auch hier nicht rosten!

Vorläufig gab's aber noch nichts zu schießen. Feind fehlte noch wegen Mangel an Beteiligung. Zu Pferde kriegt man die Lümmels schlecht, vorm Schießen haben sie aber einen Höllendampf. Nach endlosem Marsch, als es schon völlig dunkel war, kamen wir ins Quartier. Au je, das war doch überwältigend! Wer eine solche Panjebude nicht kennt, der ahnt überhaupt nicht, was es alles gibt. Beschreiben läßt es sich nicht, das muß man sehen und fühlen. Die Kosakis hatten sich nun doch ermannt und uns den Weg über eine Brücke verlegt. Es war allerdings auch dicke Infanterie dabei. Eine Schwadron von uns war schon beim Angreifen, erhielt aber ein wahnsinniges Feuer, das ziemlich schaurig durch die dustre Nacht gellte. Bei Tagesanbruch griff dann das ganze Regiment an und trieb die Brüder zu Paaren. Einer von uns hatte einen Streifschuß am Kopf, daß die Knochensplitter man so flogen. Auf leisen Sohlen heranbirschend, hatten wir bereits die Vorposten getötet. Peng, fällt ein Schuß, peng, peng, zweiter, dritter! Und dann ging eine maßlose Knallerei los! Rumbums! spricht unsere Kanone; kladderadoms! die Handgranaten, die die albernen Russen aus den Fenstern zu schmeißen für gut befanden. Über die Straße laufen alle möglichen Leute, kein Schwein kann aber im Dunkel erkennen, von welcher Partei sie sind. Na, wir drückten uns an ein großes Haus, um mal erst abzuwarten, wem die Siegesgöttin heute wohlgesinnt wäre. Der Skandal dauerte aber immer weiter und die Kriegslage schien sich gar nicht klären zu wollen. Wenn einer nicht Platz machte, kriegte er einfach einen Tritt. Ich müßte schamlos lügen, wenn ich dieses Situatiönchen besonders angenehm und lieblich nennen würde, aber wir kamen durch, und es sollte sich nachher bezahlt machen. 150 Schritt hinter der Stadt buddelten wir uns schnell bis an den Kragenknopf ein. Wir warteten freudig erregt der Dinge und Russen, die da kommen sollten. Wir acht Männerchen waren augenblicklich wohl die einzigen hier, die die Wacht am Rhein singen konnten. Also, wir lagen mucksmäuschenstill, den Finger am Abzug. Meiner Kriegsknechte war ich mir ziemlich sicher. Ohne Befehl würde keiner knallen. Neben mir schnatterte ein junger Kriegsfreiwilliger laut und ungeniert mit den Zähnen. Ich boxte ihm schnell noch eins in die Rippen. »Lebhaft weiterfeuern«, kommandierte ich dann mit gellender Stimme, um den Brüdern da drüben mal den Wohlklang einer Preußischen Kommandostimme zu Gehör zu bringen. Und ich mußte auch laut schreien, denn auf die erste Salve ertönte drüben ein Geheul, so entsetzlich, markerschütternd, daß mir die Haare zu Berge standen, und als unsere Büchsen lustig in den dichten Knäuel knallten, da stürzten sie zurück, fielen über die Toten und Verwundeten – und immerzu die Schreie der Todesnot! Und schon waren wir mit brüllendem Hurra hinterher!

Wie die Tiere drängte sich ein ganzer Haufen in die vorderste Haustür. Wir hätten sie in aller Ruhe abschießen können. Sie waren noch total halali und konnten vor Angst keinen Ton sagen. Die ganze Sache schien einzuschlafen. Das einzige was uns fehlte, war ein Alkohölchen.

Ich hatte aber doch so das Gefühl, daß sie noch irgend eine Biesterei vorhatten. Den Feind hinten wollte ich mir mal selbst etwas näher besehen. Hier konnten nur noch einige sichere Kugeln helfen. Da zog ich die Büchse an den Kopf, ein Tupf auf den Stecher: plautz, da lag der erste Kerl! Schnell repetiert und wieder gestochen. Nr. 2 und 3 fielen um wie die Säcke, bevor sie sich von ihrem ersten Schreck erholt hatten. Da kam Leben in die Gesellschaft, sie schienen nur noch nicht zu wissen, wohin sie sollten. Der nächste Russe, Nummer 4, erhielt die Kugel etwas zu kurz. Es war vielleicht für mich von Vorteil, denn der Kerl schrie ganz entsetzlich. Ich hatte schnell den Karabiner meines Begleiters genommen und ließ die nächsten fünf Kugeln in den dichten Klumpen am Gartenzaun. Einige Schreie zeigten, daß auch diese Kugeln nicht umsonst abgefahren waren. Diese letzten Schüsse waren mir ja etwas eklig, besonders weil ich gar nicht das Gefühl der Gefahr hatte, denn die Russen dachten gar nicht ans Schießen. Aber was hilfts; jeder ist sich selbst der nächste, und ich habe ja den Krieg nicht angefangen! Die Flanke war gesäubert; ich ging befriedigt zu meinen Knaben zurück. Die russischen Offiziere machten ein recht dummes Gesicht, als sie uns sechs Männerchen da stehen sahen. Mein liebenswürdiges Benehmen beschwichtigte aber ihre Bedenken. Wir schüttelten uns herzlich die Hände, ich mit einem gönnerhaften Siegerlächeln. Es war immerhin ein netter Augenblick, und der militärische Erfolg doch außerordentlich schön. Selbander zogen wir auf den Markt, wo alles voll von Russen stand. Bei dem Artilleriekapitän bedankte ich mich für die gutsitzenden SchrapneIls, dann mußte ich zur Division und berichten. Allgemeine Zufriedenheit. Meine sechs Soldaten bekamen gleich, wie sie gebacken waren, das Eiserne Kreuz. Ich wurde zur ersten Klasse eingegeben, was aber erst nach beinahe einem Jahr in die Erscheinung trat. – Und nun urteilt mal selbst Jungens, ob ihr mit eurem madigen Jägerlatein mir imponieren könnt! Was ich auf der Russenfährte erlebt habe, ist, wie ihr zugeben werdet, 'ne Nummer! Unser Fachorgan »Wild und Hund« hat die ehrende Aufforderung an mich ergehen lassen, einen Bericht über meine Jagderfolge in Rußland zu verfassen. Ich will es tun. Und denn auf fröhlich Gejaid nach Welschland! Eh wir aber so weit sind, wollen wir gemütlich noch mancher Pulle Sekt den Hals brechen. Na denn Pröstchen!

Alle: Pröstchen Dreckwitz! Weidmannsheil!