2-2. Szene                                                                                                                                                                               Optimist & Nörgler (5)

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Optimist, Nörgler

(Der Nörgler: (spricht sein Gedicht »Eeextraausgabeee«)

Nun sinds so viele Monde, daß der Ruf

der hiesigen Natur (intabuliert)

ins Grundbuch eingetragen ist.

Nie mehr wird er verschwinden.

»Eeextraausgabeee-!« »Eeextraausgabeee-!«

 

Täglich, stündlich, in jeglicher Minute nahm

ihr Ohr ihn auf. Er bleibt ihr fortan einverleibt.

Sie hört ihn, wenn der letzte Anlaß,

ihr so zuzusetzen, längst begraben ist;

sie tönt ihn noch, wenn ihn kein Mund mehr ruft;

und täglich, stündlich wird es sein, wie jetzt.

Wann immer du dein Haus verlassen willst,

wo immer du aus einem Tor heraustrittst,

wo du auch gehst und stehst, der Ruf ereilt dich,

»Eeextraausgabeee-!« »Eeextraausgabeee-!« –

ist da und packt dich, hat dich, hält dich fest

und zwickt dich, und du mußt ein Ohr behalten

für die Stationen dieser Höllenfahrt,

wirst wissen, wie die Welt läuft, je nachdem.

Die Stadt, der alles Chaos wird zum Bild,

zum Sinnbild ihrer selbst, zum Wahrzeichen,

und zur Musik auch, hat dich lebenslänglich

genarrt mit falscher Optik.

Und nun ist im Drang der Zeit

die falschere Akustik ihr zugewachsen.

Menschen standen schlecht im Raum;

im Knäuel des Verkehrs warst du imstand,

den Teint zu unterscheiden.

Schau, der hat ein weißes Haar hier an der Schläfe,

und der Passant dort wird halt auch schon alt.

Gut aufgelegt ist der heut, jener aber muß Sorgen haben.

Lauter Solospieler begegnen dir, es fehlt Komparserie;

du triffst nur immer solche, die im Chor so mitzuwirken aus Gefälligkeit entschlossen sind.

Doch stellt sich vor der Oper ein Mann nur hin, so ist dir jede Aussicht ins weitere Leben gänzlich abgesperrt.

Im Korridor des Schnellzugs ein Reklambild,

zur Anlockung der Fremden angebracht,

zeigt dir den Platz, ein rechtes Großstadtzentrum,

und du erkennst gleich die Persönlichkeit von drei Passanten, einer wendet sich und lächelt zu dir, wissend, was er ist.

Er ist, was eben jeder Wiener ist, und jeder anders:

eine Sehenswürdigkeit.

Am Fuße jedes ihrer Einwohner liegt – diese Stadt.

Es ist halt ein Malheur.

Ein Schnurrbart zwirbelt sich als Hindernis,

du kannst nicht weiter, ohne anzustoßen.

Leicht beieinander wohnen die Gedanken,

doch hart im Raume stoßen sich die Wiener.

Sie stehen »umeinander« unter andern

und stehn auch »in der Zeitung« so herum,

anwesend stets, die eigene Ausstellung eröffnend,

nur verbunden durch den Gruß,

denn jeder hat »die Ehre», keiner (aber) hat sie.

Wie kam denn das?

Bei Gott, der schlechte Zeichner

neuwienerischen Farbenwitzes hat den Menschen hier nach seinem Ebenbild geschaffen,

alles ist lebendig, springt, ist quietschvergnügt –

und dennoch todesstarr.

Ein Zeichner Schönpflug zog des Lebens Ackerfurche, aus der kein Halm mehr wächst.
Die Luft ist Wand, an der der Mensch klebt,

hoffnungslos verzappelt,

und alles ist verschoben, ist verrückt

nach dem Gesetz der falschen Perspektive.

Und etwa noch nach dem Gesetz der Trägheit,

indes die Schwerkraft aufgehoben ist.

Die Menschen schreiten auf dem Fleck,

die Pferde, sie hängen in der Luft.

Er ist ein Dämon.

Was geht, das steht; was steht, das fällt; was fällt, das geht.

Im Zerrspiegel siehst du  die Leute,

sie sind zu dick, zu dünn,

Lachkabinett ist ihre Wohnung

und die Weltkugel ein buntes Glas, worin bald breit, bald lang der Wiener lachend sein Gesicht beschaut.

Verzeichnet sind sie und verzeichnet

stehn sie im Schicksalsbuch.

Der Zeichner war ein Dämon.

Nun aber hat sich, wer will es bezweifeln,

ein böser Musikant (in das Konzert) hineingemischt.

Du warst genötigt, Menschen anzusehn,

die du nicht sehen wolltest. Die du aber

nicht hören wolltest, die mußt du nun (an) hören.

Ein Knirps hier macht den Horizont dir voll,

wenn den der Stephansturm dir nicht verdeckt hat:

du siehst nichts andres mehr, du lebst im Dunkel.

Nun füllt er dir den Weltraum mit Geräusch:

du hörst nichts andres mehr!

»Eeextraausgabeee-!«

Hat die entfesselte Schar von Proleten,

die einst an der Wand des Lebens stand

und stumm war, stumm die Hand zum Betteln zeigte, denn kein Lampenfieber?

Nachkommenschaft (Proles) ist Wegbereiter (Prodromos).

Das rast und rennt dem Sieg voran und will ihn überbieten.

Das sind die wahren Herolde der Tat,

in ihrer Unbegreiflichkeit ist aller Zusammenhang mit ihr –

so halt sie auf, mach sie verantwortlich und frage sie:

wie lang' es, wenn sie's schon verschuldet haben,

nach ihrer Meinung wohl noch dauern mag!

Sie wissen es, sie kommen von der Quelle,

sie rühmten sonst so laut sich nicht der Tat.

Was steckt wohl hinterm Spuk? Hier ist ein Pflaster,

daß sich die Technik auf die Füße trete.

Reste von Wald und Blut empörten sich

und wollten anders als der Taxameter.

Sie hatten recht, nun aber ist er da:

so funktioniert denn nur das Handgemenge,

in dem Natur hier kämpft mit dem Betrieb,

ohnmächtig beide, beide unterliegend.

Verstecken spielt das Individuum,

spaßt mit der Technik und treibt Schabernack,

unfaßbar hinter einem Telephon,

doch immer gegenwärtig, gutgelaunt:

»Ja, mir haben Sie die Nummer nicht gesagt!«

Unsichtbar will sie ein Gesicht doch haben.

Sie ist nicht Amt, sie hat noch eine Meinung;

sie sagt nicht: »Hier Amt», sie sagt frisch: »Halloh?«;

sagt die »Halloh« hier, sagt die andere »Bitte?!«;

die dritte sagt nicht »Bitte», sondern anders,

die ist's, die »Pittapittapitta?« sagt.

Ich kenne sie genau, ich unterscheide,

doch nützt es nichts, denn sie verleugnen sich.

Gespräche geben sich ein Rendezvous und tauschen, rauschen, lauschen, plauschen, mauscheln

und hatschen, ratschen, tratschen miteinand,

die Drähte liegen wie nur Kraut und Rüben,

nein, Kraut und Rüben liegen wie die Drähte,

sie liegen »Kruzitürken übereinand»!

Das Telephon ist Störung.

Das Bureau für Störung aber ist die Zuflucht jener,

die nicht gestört sein möchten. Hundert Käuze

sind dort im Ruhstand, jeder lebt für sich,

läßt dich noch einmal alles sich erzählen,

wie sich's begeben hat

und wie es oft im Leben schief geht,

kann man halt nichts machen.

So ward das Chaos aus der Welt erschaffen.

Das Leben ist nur eine Unterbrechung,

der Mensch ist falsch verbunden – mit der Zeit.

Dem unverständlich, der sie spricht, die Sprache.

Sagst zwei du, ist es drei, hört fünf sie, sieben,

neun ist soviel wie eins.

Das Einmaleins der Hexen ist es, das dich so betrügt;

magst welche Nummer immer du verlangen,

sie kommt dir nicht heraus, und wäre sie

dir selbst erlangbar, glückt es dennoch nicht:

frei ist besetzt, besetzt ist aber frei,

du sprichst mit einem und – es ist ein andrer.

Alles ist windschief und des Lebens Sinn der Irrsinn und des Lebens Instrumente parieren nicht dem Leben

und der Zweck ist widerspenstig, wenn die Mittel wollen.

Ein ewiger Zank mißfälligen Dialekts von schlaffen Zungen, die das Wort nicht halten, füllt Tag und Nacht

und nennt sich Pallawatsch, und schmeckt wie das Gemisch, das diesen Zungen ein Wohlschmack ist:

der eingebrannte Brei, bereitet aus Gemüsen wie Gehirnen.

Gut eingestäubt nach dem Rezept sind auch die Straßen

und der allbeliebte Kot ist wie ein gutes Papperl populär.

Windschief ist alles, selbst der Wind geht schief,

das Klima will nicht und der liebe Frühling

spielt nicht mehr mit; es zieht, wenn alles zu,

bei offenem Fenster tritt Erstickung ein,

die Erde regnet und es staubt vom Himmel;

drum spritzt man auf, wenn alles eh scho naß ist,

ist (dennoch) Staub, so wirbelt man ihn gschwind noch auf,

ist keiner, gleichfalls, mit der Kehrichtwalze.

Auf solchem Weg erschwert dir nun den Schritt der Nachbar,

der sich dir wie eine Mehlspeis serviert,

auch wenn du (gar) keinen Appetit hast,

aus Mehl und Wasser eine Spottgeburt.

Die Sorte ist Melange aus Jud und Christ;

noch mehr Persönlichkeit hat die Melange:

mehr Haut, mehr Gold; mehr licht, mehr dunkel.

Schale (Einspänner), Teeschale, Nuß und Glas, weiß, braun und Cappucino, verkehrt (verlängert) und obersgspritzt und

Doppelschlag. Dem unterwarf sich die Bevölkerung,

in »Schlag-« und »Hautesser« teilt man sie (also) ein.

Willst aber selbst du essen, dann bedauert der, der dir dienen soll, daß er dir (leider) »nicht mehr dienen« kann,

und streicht vor deinen Augen die Speisen alle,

die du (doch auf der Zunge) schon geschmeckt hast!

Nicht vorher wußt' er's? und er mußte warten,

bis du mit deinem Wunsche ihn gemahnt hast?

Dann fragen zehn verschiedene (Kellner) nacheinander,

ob du denn »schon befohlen« hast, »bittee?»

Es gibt nur Linzer, Sacher, Wienertascherln,

Powidltatschkerln und Engländer, Gott strafe England,

und du hilf(st) dem Wirt, die alte Anisscharte auszuwetzen.

Vielleicht ist aber aufmerksamer Weise für dich (bereits)

das Protektionsportionderl der weltbekannten

Spezialität der Zeppezauerschnitte reserviert.

Hast du (dann endlich) gegessen, willst du dafür zahlen.

So rufen sie dir selbst und dann einander das Wort zu: »Zahlen!«, »Zahlen!!«, »Zahlen!!!« – keiner aber hörts. Der Mann, den du bezahlst, weil du ihm zahlst, ist tief beleidigt, kommt nicht, tötet sich vermutlich in der Küche.

Ein (Kelln)er ruft dir plötzlich das Memento (mori als

Mahnung an irdische Vergänglichkeiten zu): »Sosss bittee!«

Du weißt nicht, was es soll bedeuten, willst (schon)

verzweifeln, da gewahrst du, wie ein bleicher, käsweißer Mann durch dieses Wirrsal schreitet und auf dich zukommt, – der Todesengel ist es! – denn der Augenblick ist da,

dich, dem der Lebensmut schon sank, zu grüßen. (Gott sei gedankt!) Es gibt noch Grüßer. – Nein, es gibt nur Grüßer!

Du bist ein Raunzer;

Mach den Versuch, flieh aus d(ies)er Hölle,

nimm den nächsten Wagen, wenn du ihn kriegst,

das heißt, wenn er nicht (schon) »bstöllt« ist.

Dann aber wird der Kutscher selbst dich rufen,

denn er hat heut noch keine Fuhr gehabt.

Er mietet dich.

Er trinkt noch schnell Kaffee, das Pferd steht da, nachdenklich wie der Mensch kreuzt es die Beine, kriegt dann selbst ein Futter, dann deckt der Mensch es ab und nimmt die Decke, womit der Mensch den Taxameter zudeckt, damit kein Mensch ihn nie mehr sehen kann.

Bist du so weit und ist es dir gelungen,

den Wagenschlag zu öffnen und zu schließen,

so wird er wieder aufgehn, eine fremde

Persönlichkeit steht da mit nackten Füßen,

läßt Wind und Regen ein, verlangt dafür –

und weil's ihr ohne deine Hilfe glückte und

ohne ihre Hilfe dir gelang, den Wagenschlag

zu öffnen und zu schließen – für diese

beiderseitige Mühewaltung Belohnung;

hat sie sie, so schließt sie ihn.

Willst du dann weiter kommen, so steig aus;

kommst trotzdem weiter nicht, 

denn »bitte links», »bitte links« mußt du ja gehen,

(der Polizist hat’s dir ja vorgeschrieben)

doch es geht nicht, alles bleibt stehn

und geht es, geht es rechts und links.

Ein Pferd fällt: steht der Mensch; doch nicht aus Mitleid.

Fällt keines, steht er auch – aus Neugierde.

In solchem Falle geht es erst nicht weiter,

nicht Pferd, nicht Mensch. Nichts geht im Leben weiter.

Es geht zugleich und steht, drum stolpert es.

Dies Unwesen, anstatt im Bund der Zucht,

die nichts als Zucht ist, endlich sich zu bändigen,

entartet an dem Vorbild immer mehr.

Sie durften schweigen und sie mußten rufen –

so schreien sie. Die »Extraausgabee!«,

»Extraausgabee!«, »Extraausgabee!« –

das ist ein Ruf, der anderwärts, so traurig

solch Ende ist, das Leben selbst bedeutet.

Wo Leben nur Betrieb ist und Betrieb das Leben,

in Berlin, gehörts dazu, fällt nicht aus dem Ensemble, Mann und Ruf.

Wo Menschen singen, ist auch dieser Ruf Musik.

Musik kann eine Plage sein,

doch sie gehört dazu, bleibt im Choral.

Hier ist Diskant von Leben und Betrieb. In Wien.

Ein gräßlicher Proletenton dringt vor

und etabliert sich als das Weltgeräusch.

Triffst du hier ein, kommst mit der Südbahn an,

Unglück genug; kein Wagen weit und breit (zu finden),

doch hörst du, daß »Kragujevaz erobert!« (sei)

Du nicht und keiner, der es ruft, und niemand

weiß damit etwas anzufangen.

Keiner hilft beim Gepäck dir, doch ein ganzer Chor

von Aufgeregten, die aus eigenem Antrieb, nicht von Hotels entsandt sind, streckt ein Blatt entgegen dir, ein Zeitungsblatt, sie sagen Dir, was drin steht,

einstimmig sagen sie, weil du's nicht glaubst:

soeben sei »Kragujevaz erobert!«

Nichts wirst du sehn als Mäuler.

Keuchend rast durch menschenleere Gassen einer,

weckt das tote Leben aus dem Schlaf und ruft

und gibt nicht nach: »Krakujefaz eropaat!«

»Fenädig pompatiert!« versetzt ein andrer,

zwei laufen um die Wette, wie bereit,

sich zu »derstessen« für das Vaterland,

sich aufzuopfern für die letzte Wahrheit,

(daß) die nordfranzösische Festung »Mobösch«,

sprich »Maubeuge»,  sprich »Mohnbeugl«,

sei, wie es sich von selbst versteht, »gefallen«.

Wie aus dem Ziehbrunnen stöhnt es empor,

ein (das) Weh der (ganzen) Menschheit (fasst dich an)

(und dich erfasst ein längst entwohnter Schauer):

»Eeextraausgabää – !« – »Eeextraausgabää – !«

Dann wieder brüllt es: »Zweate Oflagee vom Tagblad!«

»Weltblad! Extraausgabää -!« »Teitscha Bericht!« drischts (unablässig) auf deinen (wunden) Schädel ein.

Bald ist es Jamma, bald ists Anklagee,

oft hörst du nur ein windverwehtes

» - - bääa - «, » - - bäää - «, » - - bäää - «.

Ich sitz' am Schreibtisch, schreibe dieses Lied,

schließt sich der Vers nicht, hör' ich draußen:

» - - bäää - !«, » - - bäää - !«, » - - bäää - !«.

Schlag vier beginnt es. Nicht allein Tragöden,

auch Humoristen wachsen aus der Erde.

Ein Mäderl von acht Jahren bietet dir

»achttausend Russen für zehn Heller« an,

und »hunderttausend tote Italiena«

bekommt man um denselben Preis – warum nicht,

dem Wiener ist's Musik, kein »Kusch« erwidert.

Ostpreußisch-Masurisch Ende ist eine Schlamastik –

verglichen mit dem Wiener Kot – ein Gspaß.

Ein blasser Bettelbub sagt seinen Spruch,

steht neben deinem Tisch, doch nicht wie einst:

die Eltern seien beide im Spital,

sondern mit Leichenbittermiene sagt er,

wie ein Geheimnis: »Schwere Niederlage der Italiener.«

Dafür kriegt er Geld.

Klein Zaches hüpft von Tisch zu Tisch, verbeugt sich:

»Ssick über Ssick! Gewaltiger Ssick« errungen vom Hindenburg, Rußland und Frankreich fertig,

Gott strafe England, und vernichte gleich Italien!

Ist dies geschehn, entspringt er – (und) man lacht.

Dort kriecht etwas und kreischt,

»zurückgeworfene Russen« anzubieten!

Galiziens Flut fand Anschluß an den Strom,

deß Katarakt uns lärmend überfällt.

Hier an der Kärntner-Ecke, (an) der Sirk-Ecke,

wo das Leben sich brandend bricht, Wähh!

Bricht, (ja,) weil vor ihm selbst ihm schlecht wird,

hörst du am lautesten die Mißtöne

des völlig ungenierten Hinterlands.

Du siehst den Flüchtling Isaak Willichfort, der nicht

wie mancher reichere Landsmann in der Pension wohnt, welche »Wiezuhause« sich nennt,

hier siehst du ihn im (Juden)Kaftan stehn, und hörst, wie er den Tonfall hat gelernt und wie er lockruft:

»Eextra-osgabee! Koofen Sie ab mir meine liebe Cherrn!«

Hier läuft ein Weib mit einem Naschmarktmaul

und regt sich an der neuen Meldung auf, besagend, das serbische »Schaabaaz« sei grade jetzt »gefaalen».

Hier wiegt sich eine in den Hüften, wirft

so für sich selbst es hin: »Halb Serbieen eropaat!«,

lächelt, geht und gibt es weiter.

Zwei (Bein)Stümpfe und ein offener Mund stehn da.

Kein Invalide dieses Weltkriegs ist es,

ein Krüppel ist es, mit Persönlichkeit.

Stellt sich (laut) verkündend (quer) übern Fahrweg hin,

richtet ein (militärisch) Standrecht so auf Stelzen auf,

als wär der (sein) Rumpf allein auf dieser Welt,

in ihm das ganze Krüppeltum der Welt verkörpert,

nein, (falsch) der Weltkörper verkrüppelt.

Mit dumpfem Ruf entschädigt sich der Rumpf:

»Extrrausgabee! Halb Serrbien ganz arrobat!«

So pflanzt er sich auf seinen Hölzern (Holzprothesen) auf,

daß der Betrieb hindurch muß, wenn er kann.

Hier klingts wie Streit,

dort rufen sie um Hilfe, (doch) sie kommen schon.

Was aber sieht man hier?

Schweigende gehn auf Krücken, unbeachtet,

zuckende Leiber, Höllenbrand im Auge.

Verweist der Ruf auf sie? Wird ihnen Hilfe?

Dazwischen Leiber, die nicht Narben haben,

doch Heereslieferungen, und es fällt das Wort,

der Lieferant sei auch nicht zu beneiden,

das Friedensrisiko sei, nebbich, groß. – –

Nun aber bleibet stehn, habt acht und seht,

herzbrechend Schauspiel hier vorüber geht.

Die große Zeit persönlich schleppt sich weiter

und das ist eine Bettlerin. Begleiter:

ein Kind an der Hand, ein Säugling auf dem Arm,

ganz arm ist sie; die Stimme, kein Alarm,

ist nur ein Seufzer, nur das eine Wort,

ein einziger Fluch, von dieser Lippe fort

schleicht er sich weltwärts: »Neue Freie Presse!«

Das Kind begleitet: »Neue feile Pesse!«

Es lallt der Säugling: »Leie leie lelle!«

Im Anfang war das Wort.

An dessen Stelle wird jetzt das Wort

der Welt das Ende bringen.

Die Amme Zeit wird so in Schlaf sie singen.

Mit solchem Rufe werden sie geboren.

So rufen sie dem Welttod in die Ohren.

Und hört er noch nicht, bleibt's wie eh und je –

dann brüllt es ewig »Eeextraausgabeee - !«

»Eeextraausgabeee - !« – »Eeextraausgabeee - !«)

 

Der Optimist und der Nörgler im Gespräch.

Der Nörgler: Halten Sie es im Bereich organischer Möglichkeiten für denkbar, daß ein Eskimo und ein Kongoneger auf die Dauer sich verständigen oder gar miteinander Schulter an Schulter kämpfen können? Ich denke, höchstens wenn es ein Bündnis gegen Preußen gilt. Die Verbindung zwischen einem Schöneberger und einem Grinzinger scheint mir unpraktikabel.

Der Optimist: Warum denn?

Der Nörgler: Es ist in alten Mären, auf welche die Nibelungentreue zurückzuführen ist, der Wunder viel geseit. Aber was sind diese gegen die wunderbaren, märchenhaften Verbindungen der blutlebendigen Gegenwart? Denn sehen Sie: noch nicht einmal telephonieren können und nichts als telephonieren können – das mag wohl zwei Welten ergeben; aber läßt es eigentlich ihre seelische Verbindung zu, da kaum eine telephonische zustandekommen könnte? Lassen sich zwei Wesen Schulter an Schulter denken, deren eines die Unordnung zum Lebensinhalt hat und nur aus Schlamperei noch nicht zu bestehen aufgehört hat, und deren anderes in nichts und durch nichts besteht als durch Ordnung?

Der Optimist: Das Vorbild des Bundesbruders, dessen im Frieden bewährte Organisation –

Der Nörgler: Sie würde sich an dem Vorbild der Schlamperei lockern, wenn sie nicht ohnedies in diesem Krieg kaputt gehen müßte. Die äußere und innere Ordnung der deutschen Welt ist eine Hülle, die bald geborsten sein wird. Dann mag es Schulter an Schulter mit uns mißglücken.

Der Optimist: Meinen Sie, daß etwa die deutsche Beamtenschaft in ihrem erprobten Pflichtgefühl je nachlassen oder gar korrumpiert werden könnte?

Der Nörgler: Als ein Symbol der deutschen Entwicklung ist mir jüngst an der deutsch-schweizerischen Grenze ein uniformierter Bahnfunktionär entgegengetreten, der mir neben der Kassa die Umwechslung der Valuta zu einem besseren Kurs als dem, den die Bahn zahlt, flüsternd anbot.

Der Optimist: Wo Sie sittlichen Verfall sehen, sehe ich –

Der Nörgler: Seelenaufschwung. Diese Vision wird jene Wirklichkeit noch fördernd beeinflussen. Unter der Ägide der sich selbst belügenden Kriegslüge wird das Chaos unendlich werden. Die ins Rollen gebrachte Quantität wird entgleisen.

Der Optimist: Und wir in Österreich?

Der Nörgler: Werden kaum nötig haben, herunterzukommen. Bei uns war schon im Frieden Krieg und jeder Konzertschluß ein ungeordneter Rückzug. Wir werden eher durchhalten.

Der Optimist: Im Treubund gibt es keine Rivalität. Er hat sich bisher bewährt und wir werden auch zusammen kämpfen bis zum Ende.

Der Nörgler: Das glaube ich auch. Nur werden in der gemeinsamen Verwirrung die Sprachen verschieden sein.

Der Optimist: Gemeinsam ist die des Schwertes. Wir sind mit den Deutschen verbunden auf Gedeih und –

Der Nörgler: – Verderb!