2-3. Szene                                                                                                                            Abonnent & Patriot (2) – Kleine Gesellschaftschronik

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Abonnent der Neuen Freien Presse, Patriot

Der Abonnent und der Patriot im Gespräch.

Der Abonnent: Haben Sie gelesen, der (Wiener) Bürgermeister Dr. (Richard) Weiskirchner hat anläßlich der glänzenden Waffentat des U-5-Boots dem Admiral Haus ein Glückwunschtelegramm geschickt – und er hat schon geantwortet?

Der Patriot: Was hat er geantwortet?

Der Abonnent: »Bitte, meinen verbindlichsten Dank für die überaus freundlichen Glückwünsche entgegenzunehmen.«

Der Patriot: (Phantastisch!) Aber wissen Sie schon, daß der Leiter der israelitischen Militärseelsorge Feldrabbiner Dr. (Arnold) Frankfurter beim Osterfeste eine patriotische Ansprache gehalten hat?

Der Abonnent: Was Sie nicht sagen! Das is mir entgangen! – Und dann?

Der Patriot: Der Text wurde vom Militärkommando Wien dem (Armeeoberkommandanten) Erzherzog Friedrich und dem (Thronfolger) Erzherzog Karl Franz Josef (persönlich) vorgelegt.

Der Abonnent: Und (was war) dann?

Der Patriot: Beide Erzherzoge ließen dem Feldrabbiner danken.

Der Abonnent: Sehn Sie, das freut mich. – Aber ich kann Ihnen dafür erzählen, König Ludwig von Bayern hat dem sich zur Zeit in Franzensbad aufhaltenden Bezirksrabbiner Benzion Katz von Borszczow auf dessen anläßlich der Einnahme von Warschau (am xxx) gesandtes Huldigungstelegramm telegraphisch seinen Dank ausdrücken lassen.

Der Patriot: Das weiß ich (doch!) – und ich weiß noch mehr.

Der Abonnent: Da bin ich (aber) gespannt.

Der Patriot: (Ihr) Benzion Katz, Bezirksrabbiner zu Borszczow, derzeit in Franzensbad, hat anläßlich der Einnahme von Warschau und Iwangorod –

Der Abonnent: Also auch wegen Iwangorod?

Der Patriot: Ja, (natürlich) auch wegen Iwangorod – an den Armeeoberkommandanten Feldmarschall Erzherzog Friedrich eine Huldigungsdepesche gerichtet –

Der Abonnent: Und dann?

Der Patriot: – auf welche (am xxx) folgende Antwort eingetroffen ist: »Seine k. u. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Armeeoberkommandant Feldmarschall Erzherzog Friedrich – «

Der Abonnent: Aha (ich) weiß schon: » – dankt bestens für die patriotische Kundgebung. Im höchsten Auftrage Flügeladjutant Oberst von Lorz(x).«

Der Patriot: Woher wissen Sie (denn) das (schon wieder)?

Der Abonnent: No ich kann Ihnen noch mehr sagen. Nämlich den Text von der Antwort von König Ludwig von Bayern, nämlich, das hab ich erst später gelesen, nämlich König Ludwig von Bayern hat an den sich in Franzensbad aufhaltenden Bezirksrabbiner Benzion Katz von Borszczow auf dessen anläßlich der Einnahme von Warschau gesendetes Glückwunschtelegramm (am xxx) folgende Antwort gerichtet: »Ihnen und Ihren in Franzensbad weilenden Landsleuten danke ich bestens für die Glückwünsche zur Befreiung Warschaus. Ludwig.«

Der Patriot: Schad, daß man immer nur von den Antworten hört (liest), und nie, was Benzion Katz (an König Ludwig) telegraphiert hat.

Der Abonnent: Gott, es gibt ja so viel jetzt, man weiß gar nicht, wofür man sich zuerst intressieren soll, richtig. – Wissen Sie schon, wer im Reservespital Nr. 9 (früher k. k. Statthaltereispital) (für Kriegsverwundete auf der Mariahilferstraße) (im Nachmittagskonzert für die Kranken und Verwundeten des patriotischen Vortragshauses „Für Gott, Kaiser und Vaterland“) unter der Leitung des Regisseurs Franz Brunner mitgewirkt hat?

Der Patriot: (Natürlich weiß ich:) Frau Sektionschef Jarzebecka, (ferner) Rosa Kunze, Helene Gad (Gaa), Marta Seeböck, Elsa von Konrad, (dann noch) Marta Land, Frau Professor Felsen (Feldern), Gusti Schlesak, Henriette Weiß, (natürlich) Mizzi Ohmann, (und) Christine Werner und die Herren Ernst (Emil) Salzberger und Viktor Springer. (No, was sagen Sie?!)

Der Abonnent: Fürwahr, eine stattliche Liste. Im Vereinsreservespital Nr. 8 (Rothschild-Spital) (der israelitischen Kultusgemeinde am Währinger Gürtel) haben (im Gartenfeste für die Offiziere und Soldaten) meines Wissens nur mitgewirkt: Frau Anna Kastinger, Fräulein Finni Kaufmann (am Klavier Hela Lang), Fräulein Ila Tessa, Adolf Raab, Fräulein Karla Porjes, das Schrammel-Quartett Uhl und das Edelweiß-Quartett unter Leitung des Chor-meisters E. (Ernst) Bochdansky mit den Herren I. (Josef) Michl, G. (Ferdinand) Steinweiß und I. Zohner (Josef Zahner).

Der Patriot: (Genau) So ist es. – Wissen Sie aber, daß im Spital in der Apostelgasse (durch das Entgegenkommen namhafter Persönlichkeiten es den in der Verwundetenpflege opferfreudigen Schulschwestern vom Dritten Orden des heiligen Franziskus Seraphikus ermöglicht wurde, den Verwundeten wiederholt schöne Stunden zu bereiten? Bürgerschulkatechet Josef Fuß führte eine Anzahl Kriegsbilder vor, zu denen er einen selbstverfassten Vortrag hielt. Und) auf Anregung des Bezirksschulinspektors (kaiserlicher Rat) Homolatsch das »Deutsche Lied in Wort und Bild und Sang und Klang« zum Besten gegeben wurde? (Die künstlerisch ausgestatteten Bilder, der schöne Vortrag und die wirkungsvolle musikalische Leistung boten den Zuhörern reichen Genuß. Auch der Erdberger Knabenhort hat schon zum zweitenmal unter der Leitung des Kapellmeisters Behr den Verwundeten dortselbst einen Konzertabend verschafft.)

Der Abonnent: Nein, (das) es setzt mich in Erstaunen. – Aber das eine weiß ich, daß sich E. Koritschoner, Prag und Minna Husserl, Mährisch-Trübau am 15. dieses (Monats) verlobt haben.

Der Patriot: So ist es. – Ja, ja, es gehn große Dinge vor. Haben Sie gelesen, »Verzweiflung des Viererverbandes (Russland, England, Frankreich und Italien) am Sieg«?

Der Abonnent: ja, ja, es scheint sich zu bewahrheiten, ich glaub es wird eine Verzweiflung am Sieg des Viererverbandes ausbrechen, wie sie die Welt noch nicht gesehn hat.

Der Patriot: Ma werd doch da sehn.