3-2. Szene Vor
unseren Artilleriestellungen (Schalek 7)
(Anm. Zwei Züge am Schalekschen Kriegsjournalismus hat
Kraus Kraus besonders erbarmungslos herauspräpariert: Der eine ist die
Angewohnheit, die Soldaten im Sinne einer feuilletonistischen Trivialpsychologie
des "Erlebnisses" stereotyp immer nach ihren Gefühlen zu fragen.
Diese Haltung, die nicht damit zufrieden ist, daß sich etwas Furchtbares
begibt, sondern auch noch die "Empfindungen" der Beteiligten hören
will und erwartet, daß jeder sie in geläufigen Sätzen abliefern kann, wirkt um
so grotesker, je mehr der Krieg jedem die Sprache verschlagen müßte. In der
Fragegeste der Schalek scheint schon ein unsichtbar vorgerecktes Mikrofon
enthalten.)
Kriegsberichterstatterin Alice
Schalek, Kanonier
Die Schalek: Steht dort nicht ein
einfacher Mann, der namenlos ist? Der wird mir mit schlichten Worten sagen können,
was zur Psychologie des Krieges gehört. Seine Aufgabe ist es, den Spagat am
Mörser anzuziehen – scheinbar nur eine
einfache Dienstleistung und doch, welche unabsehbaren Folgen, für den
übermütigen Feind sowohl wie für das Vaterland, knüpfen sich nicht an
diesen Moment! Ob er sich dessen bewußt ist? Ob er auch seelisch auf der Höhe
dieser Aufgabe steht? Freilich, die im Hinterland sitzen und von Spagat nichts
weiter wissen als daß er auszugehen droht, sie ahnen auch nicht, zu welchen
heroischen Möglichkeiten gerade der einfache Mann an der Front, der den Spagat
am Mörser anzieht –
(Sie wendet sich an einen
Kanonier)
Also
sagen Sie, was für Empfindungen haben Sie, wenn Sie den Spagat anziehn?
(Der Kanonier blickt verwundert.)
Also was für Erkenntnisse
haben Sie? Schaun Sie, Sie sind doch ein einfacher Mann, der namenlos ist, Sie
müssen doch –
(Der Kanonier schweigt betroffen.)
Ich meine, Was Sie sich dabei
denken, wenn Sie den Mörser abfeuern, Sie müssen sich doch etwas dabei denken,
also was denken Sie sich dabei?
Der Kanonier (nach einer Pause, in der er die Schalek von Kopf zu Fuß mustert): Gar nix!
Die Schalek (sich enttäuscht abwendend): Und das nennt sich ein einfacher Mann!
Ich werde den Mann einfach nicht nennen!
(Sie geht weiter die Front ab.)
|