3-34. Szene                                                                                                                                                                                             Berlin, Tiergarten

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Austauschprofessor, nationalliberaler Abgeordneter

Ein Austauschprofessor und ein nationalliberaler Abgeordneter treten auf.

Der Austauschprofessor: Wir führen einen Verteidigungskrieg. Moltke hat zu 'nem amerikanischen Aushorcher gesagt, daß unser Generalstab niemals irgendwelche raubgierige militärische Eroberungs-pläne gehegt hat, von denen unsere Feinde immerzu schwatzen. Wie hätten wir einen Krieg gegen so überlegene Kräfte, sagte er, wie diejenigen unserer mächtigsten Militär- und Seenachbarn es sind, in frivoler Weise herbeiwünschen können!

Der nationalliberale Abgeordnete: Sehr richtig, und wir haben den festen Willen, herauszuholen aus diesem Kriege, was unsere Heere und was unsere blauen Jungens herausholen können, und nicht zu ruhen, bis Englands Weltmachtsdünkel vollständig niedergebeugt ist. Heute ist der Moment gekommen, wo das Ergebnis des Krieges nur der Friede sein kann, der uns eine Erweiterung unsrer Grenzen in Ost und West und Übersee bringt, wo deutsche Weltpolitik das Gebot der Stunde sein muß.

Der Austauschprofessor: Sehr richtig, der englische Weltmachtsdünkel muß gebrochen werden und wer an unserer Friedfertigkeit zweifelt, der soll uns von einer andern Seite kennen lernen! Der Deutsche hat keine andere Sehnsucht, als im Lande zu bleiben und sich redlich von seinen Kolonien zu nähren. Dafür geben wir doch der Welt unsre Bildung!

Der nationalliberale Abgeordnete: Ja, für unsere kulturelle Eigenart hat die Welt bisher zu wenig Verständnis gehabt und das wollen wir ihr jetzt mal gründlich einbläuen.

Der Austauschprofessor: Bis dahin wird's leider noch lange Weile haben, und daran ist ausschließlich Amerika schuld. Moltke hat zu jenem Amerikaner gesagt, der Krieg werde so lange dauern, bis Amerika aufhören werde, Waffen und Munition für unsere Feinde zu liefern. Moltke gibt ja zu, daß diese Lieferungen das Werk eines Privatkonzerns seien, aber er ist überrascht, daß so viele Amerikaner wegen materieller Vorteile einen unneutralen Handel zu treiben gewillt sind und daß die Regierung dem kein Ende bereitet. Daß die deutschen Waffenfabriken selbst, im Frieden, an unsre Feinde geliefert haben, sei ja etwas ganz anderes. Das tut die Waffenindustrie allerorten. Wir waren also in derselben Lage wie unsere Gegner, der Unterschied liegt nur darin, daß wir, sagt Moltke, gezwungen waren, uns selbst zu helfen, während für unsre Feinde außer unseren Waffenfabrikanten noch die amerikanische Industrie einsprang.

Der nationalliberale Abgeordnete: Ja, das habe ich gelesen. In der gleichen Zeitungsnummer wird auch von der sogenannten »Enthüllung« des »World« Notiz genommen, daß wir gleichfalls Versuche gemacht hätten, aus Amerika Munition zu bekommen. Und das nennen die naiven Leutchen 'ne Enthüllung! Gottvoll! Als ob das nicht selbstverständlich wäre.

Der Austauschprofessor: Jewiß doch, und da wir nichts bekommen haben, haben wir wohl ein heiliges Recht, uns wenigstens über Neutralitätsbruch zu beklagen!

Der nationalliberale Abgeordnete: Jewiß doch, und umsomehr, als keiner vorliegt. Denn sehen Sie, die Vereinigten Staaten erklären ausdrücklich, es liege im Wesen ihrer Neutralität, daß sie uns ebenso gern Waffen und Munition verkaufen würden wie unsern Feinden. Und warum sollten wir von dieser Neutralität nicht Gebrauch machen, wenn uns die Fabriken liefern wollten? Das ist auch der Gedankengang der »Frankfurter Zeitung«, die die famose Enthüllung des »World« bespricht. Bedauerlich ist dabei eben nur, daß wir die Munition, die wir aus Amerika haben wollen, nicht von den dortigen deutschen Fabriken, weder von den deutsch-amerikanischen noch von den reichsdeutschen Fabriken beziehen können, die an unsre Feinde liefern.

Der Austauschprofessor: Wie? Deutsche, reichsdeutsche Unternehmungen sind das? Nicht englische?

Der nationalliberale Abgeordnete: I wo, von den englischen sollen es etliche verweigert haben. Na, vermutlich würden die uns auch nichts liefern. Das ist eben das Pech, die feindlichen liefern uns nichts und die deutschen haben sich schon an unsre Feinde vergeben. Nun ja, eine Fabrik als solche muß ja nicht das Neutralitätsprinzip wahren. Die deutschen Fabrikanten verletzen es doch gewiß nicht, wenn sie Waffen an unsere Feinde liefern!

Der Austauschprofessor: Nee. Aber – ja – doch – ach is das 'n Wirrwarr! Man vertauscht in diesem Kriege alle Begriffe. Wenn nur schon Friede wäre, da könnte man sich wenigstens selbst wieder vertauschen lassen und alles wäre in Ordnung.

Der nationalliberale Abgeordnete: Na beruhigen Sie sich. Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nich in den Himmel wachsen. Die Debatte dürfte bald überholt sein. Zum Glück wird ja Amerika in den Krieg eintreten, und da werden unsere Landsleute drüben wohl oder übel sich besinnen müssen und werden statt an unsre Feinde an Amerika Waffen liefern.

Der Austauschprofessor: So muß es kommen!