3-46. Szene                                                                                                                                                                   Der Graben. Vor der Pestsäule

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Nörgler, Betrunkener der sein Bedürfnis verrichtet

Nacht. Es regnet. Menschenleer. Man kann in eine Seitengasse blicken.

Der Nörgler (tritt auf und spricht den folgenden Monolog):


So merk' ich wieder, wie's von unten regnet.


Aus Schlaf und Schlamm die alte Schlamperei,


sie spricht den schlaff zerlassenen Dialekt


des letzten Wieners, der ein Pallawatsch


aus einem Wiener ist und einem Juden.


Hier ist das Herz von Wien und in dem Herzen


von Wien ist eine Pestsäule errichtet.

(Er bleibt vor der Pestsäule stehen.)

Dies Wiener Herz, es ist aus purem Gold,

drum möchte ich es gern für Eisen geben!

O ausgestorbene Welt, das ist die Nacht,

der nichts mehr als der jüngste Tag kann folgen.


Verschlungen ist der Mißton dieses Mordens


vom ewigen Gleichmaß sphärischer Musik.


Der letzte Wiener röchelt noch im Takt


und läßt die Seele irdischen Behagens


rauschend, den letzten Regen dieser Welt


durchdringend, auf das nasse Pflaster fließen.

(Er blickt in die Seitengasse und gewahrt dort einen Betrunkenen, der mitten auf der Straße ein Bedürfnis verrichtet.)

Hier steht er, eine Säule seiner selbst,

in riesenhafter Unzerstörbarkeit!


Er kann nicht untergehn, es überlebt


dies Wahrzeichen der staubgebornen Lüge


das Ende aller Schöpfung und er weiß,

nur er allein ist von dem allen übrig,

das Sterben geht ihn einen Schmarren an,

sein innerstes Bedürfnis muß er stillen,

es bleibt die Spur von seinen Erdentagen,

und dieses ist der Weisheit letzter Schluß.


Und gierig lausch' ich seinem letzten Willen,

er hat dem Kosmos noch etwas zu sagen –

Der Betrunkene (steht unverändert da und spricht in rhythmischer Begleitung, immer wiederholend):       
Ein Genuß! – Ein Genuß! – Ein Genuß!